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Film: STERBEN

So gar keine "liebe Familie"...

14.05.2024 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 17. Mai 2024c
STERBEN
Deutschland  /  2024
Drehbuch und Regie: Matthias Glasner
Mit: Corinna Harfouch, Lars Eidinger, Lilith Stangenberg u.a.

So gar keine „liebe Familie“…

Es regnete Preise für diesen Film (Deutscher Filmpreis in Gold), zweifellos Bewunderung dafür, mit welcher Gnadenlosigkeit Regisseur Matthias Glasner eine Familiengeschichte erzählt. Im Nachspann dankt er der eigenen Familie, den Lebenden und den Toten, offenbar für Inspiration. Wobei man ihn eigentlich nur bedauern kann, wenn er wirklich unter solchen Menschen leben musste…

Es geht um Vater und Mutter, beide sehr alt, um Sohn und Tochter, beide in ihren mittleren Jahren. Zerstörte Geschöpfe, alle, geprägt von Lieblosigkeit, wofür vor allem Mutter und Sohn stehen. Dass Corinna Harfouch und Lars Eidinger die gänsehauterzeugenden Meisterleistungen liefern, die man von ihnen erwarten kann, versteht sich.

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In einzelnen Kapiteln werden die Tragödien abgehandelt. Lissy Lunies, die alte Mutter (Corinna Harfouch), die sich nicht liebevoll um ihren dementen Mann (Hans-Uwe Bauer, zurecht preisgekrönt für die beste Nebenrolle) kümmert, sondern offenbar heilfroh ist, ihn ins Altersheim abschieben  zu können.

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Der Sohn (Lars Eidinger), von Beruf Dirigent, der seinem Freund, dem Komponisten (Robert Gwisdek), dermaßen ohne wahre Empathie verbunden ist, dass er ihn später nicht am Selbstmord hindert, sondern im Nebenzimmer wartet, bis dieser sein Werk in der Badewanne vollendet hat. Im übrigen kümmert er sich um eine Exfreundin und deren Kind, wofür er wenig Dank erntet – auch andere sind hartherzig.

Und die Tochter (Lilith Stangenberg) – wie dieses in der Welt schwankende Geschöpf, eine beziehungsunfähige, extrem egozentrierte Alkoholikerin, überhaupt existieren kann, das begreift man am allerwenigsten. Für den Zahnarzt Sebastian (Ronald Zehrfeld) ist die Beziehung mit ihr eine einzige Qual.

Die Schlüsselszene der Familienhölle findet zwischen Mutter und Sohn statt, wenn sie ihm offen sagt, dass sie ihn nicht wollte und dass sie ihn als Baby auch bewusst auf den Boden fallen ließ, dass sie nie eine Beziehung zu ihm fühlte, ihm nur ihr musikalisches Talent vererbt hat. Er dankt ihr diese grausame Offenheit, weil er nun begreift, warum er sich sein Leben lang  nichts aus ihr gemacht hat. Am Ende ist die Mutter auch tot… und der Zuschauer ist allein gelassen damit, was Menschen einander antun, wie sie gegenseitig ihre Leben zerstören können. Irgendwann fällt der Satz: Nicht jeder Mensch hat das Talent zum Glücklichsein. Was der Regisseur nachdrücklich beweist.

Am Ende hat man drei mühevolle Stunden mit einer mühevollen Familie verbracht, von der man (außer vielleicht den Vater, der bald stirbt) niemanden sympathisch findet. Aber wie Harfouch und Eidinger mit einander und mit sich selbst abrechnen, das muss man gesehen haben, wenn man sich etwas aus großer Schauspielkunst macht.

Renate Wagner

 

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