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Film: STAN & OLLIE

03.05.2019 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 10. Mai 2019
STAN & OLLIE
USA / 2019
Regie: Jon S. Baird
Mit: John C. Reilly, Steve Coogan, Nina Arianda, Shirley Henderson u.a.

Der eine ein bisschen sauertöpfisch und dümmlich, der andere der aufgedrehte Dicke, der perfekte Kontrast – – das waren Stan & Ollie, der Brite Stan Laurel (1890- 1965) und der Amerikaner Oliver Hardy (1892- 1957), auf Deutsch so unfreundlich „Dick und Doof“ benannt und als Paar ein großes Kapitel Filmgeschichte. Dass ein biographischer Film über zwei Komiker, die Millionen zum Lachen brachten, aber seinerseits alles andere als eine reine oder gar platte Lachnummer ist, sondern eine tief empfundene, menschliche Geschichte– das macht eigentlich die Stärke davon aus, was der schottische Regisseur Jon S. Baird buchstäblich auf die Leinwand gezaubert hat.

Es sei eine „Liebesgeschichte“, meinte er (nein, natürlich nicht „so“, die Gattinnen der beiden spielen auch mit und sogar ziemlich nachdrücklich), auf jeden Fall eine Schicksalsgemeinschaft, zwei, die ohne einander nicht konnten – auch wenn sie einander gelegentlich verletzten. Wie das Leben so spielt.

Künstlerisch konnten sie nur als Duo existieren, einer war ohne den anderen nicht denkbar, sie lockten auf gleicher Höhe das Beste aus einander heraus. Wenn Laurel auch gewissermaßen der Intellektuelle der beiden war und auch versuchte, ihre Stellung in Hollywood finanziell zu etablieren: In einem (nicht langen) Vorspiel erlebt man die beiden 1937 in der Filmstadt, am Höhepunkt ihrer gemeinsamen Karriere, seit 1921 machten sie einen Film nach den anderen miteinander (106 sollen es laut Wikipedia geworden sein). Laurel verlangte mehr Geld und postulierte dafür, dass er an den Drehbüchern mitwirkte, auch mehr Würdigung, aber der schlichtere Hardy wollte sich nicht mit den Studios anlegen: persönliche Krise der beiden, ihre Wege trennen sich einige Zeit. Ollies „Verrat“ wird noch jahrzehntelang in Stan wühlen und zu bösen Worten führen … die sie dann beide zutiefst bereuen.

Dann springt die Handlung ins Jahr 1953 in England, kein künstlerischer Weg bleibt immer auf der Siegerstraße, in Hollywood gibt es mittlerweile Abbott und Costello, der eigene Ruhm des Duos ist so bescheiden geworden, dass sich bei einer Live-Tournee die Theatersäle anfangs nur zögerlich füllen. Obwohl man spürt, dass Ollie bereits krank ist, zieht es sie wie Theatertiere, die ohne „Manegen-Luft“ nicht leben können, immer wieder auf die Bühne – und nach und nach kommt auch das Publikum. Live-Auftritte bedeuten, die Lacher direkt zu hören. (Und es ist wunderbar, sich diese Bühnenszenen anzusehen.)

Die Handlung des Films ist weder auf der privaten noch der künstlerischen Seite hektisch aufgemotzt – man sieht das Leben zweier Arbeitstiere, und auch als die beiden Gattinnen erscheinen, um bei der Tournee dabei zu sein, lässt der Regisseur keine besondere Aufregung zu. Dabei rollt Nina Arianda den russischen Akzent und den Aplomb von Laurels Gattin (sie hatte in ihrer Heimat als Sängerin Karriere gemacht), und Shirley Henderson spielt die liebevolle Sorge der Lucille Hardy um ihren Mann aus – das ist komisch, wie vieles an diesem Film, aber im Grunde verliert man nie das Gefühl der Melancholie. Und ahnt etwas, das begreifen lässt, dass man Laurel & Hardy als Vorbilder für Wladimir und Estragon in Becketts „Warten auf Godot“ gesehen hat…

Es ist natürlich die Leistung der beiden Hauptdarsteller, die diesen Film letztlich so unwiderstehlich macht. John C. Reilly spielt für den „lustigen“ dicken Ollie immer auch ein wenig Melancholie mit, und auch Steve Coogan zeichnet als Stan keinen glücklichen Menschen. Aber man weiß es ja: Komiker sind im Privatleben alles andere als lustig. Und gegen Ende, wenn Ollie immer schwächer wird, wird es sogar richtig traurig. Die Darsteller sind so überzeugend, so seelenvoll, um dieses Wort einmal zu benützen, dass sie durch die Haut gehen (und direkt ins Herz hinein). Man liebt sie einfach – so wie den ganzen Film.

Der Nachspann mit den „Originalen“ – mit Szenen von Laurel & Hardy – beweist, dass die Interpreten deren Zauber und deren menschliche Anmut eingefangen haben.

Liebender, berührender und schöner hätte man der beiden nicht gedenken können.

Renate Wagner

 

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