Filmstart: 14. Jänner 2022
SPENCER
GB / 2021
Regie: Pablo Larraín
Mit: Kristen Stewart, Timothy Spall, Sally Hawkins u.a.
Bevor sie die Prinzessin von Wales wurde, war sie Lady Diana Spencer und lebte ein weitgehend normales Leben. Vielleicht hat der chilenische Regisseur Pablo Larraín seinen Film deshalb „Spencer“ genannt, um die gespaltene Persönlichkeit der Frau, die die Weltpresse „Lady Di“ nannte, anzusprechen.
Schon einmal hat er eine Weltberühmtheit in einer ungewöhnlichen Situation porträtiert: „Jackie: Die First Lady“ zeigte 2016 Natalie Portman als Jaqueline Kennedy, die kurz nach dem Tod ihres Mannes einem Journalisten ein (fiktives) Interview gab. Eine erfundene, aber nicht gänzlich unglaubwürdige Situation, und ähnlich mag es hier sein: Denn dass Diana 1991 die royalen Weihnachts-Zeremonien auf Schloß Sandringham so unerträglich fand, dass sie danach beschloß, aus ihrer „Rolle“ auszubrechen – das ist vermutlich eine reine Konstruktion. Aber im Zusammenhang mit der zerstörten Persönlichkeit, die sie damals schon war, nicht gänzlich unglaubwürdig.
Und darum geht es: Wieder einmal ein Versuch, diese Frau, die so jung aus dem Leben gerissen wurde und die der Welt stets so widersprüchlich erschien, wenigstens annähernd zu begreifen. Das beginnt schon mit einer starken Szene zu Beginn. Allein kurvt sie in ihrem Auto durch die nebelige Landschaft von Norfolk und hat offenbar keine Ahnung, wo sie ist. Sie geht in ein Pub, und fragt, wo sie sei: „I am lost.“ Nicht nur verloren, was die richtige Straße nach Schloß Sandringham betrifft.
Um die innere Verzweiflung dieser Diana klar zu machen, bedarf es der Schilderung einer bis ins Detail durchstilisierten Welt wie jener der Royals, wo alle „Hauptdarsteller“ unter dauernder Beobachtung stehen, sowohl untereinander wie durch die Dienerschaft. Zwei erfundene Personen sind hier sehr wichtig: Timothy Spall gibt einen Butler, der an sich nicht unsympathisch ist, aber die Welt der Tradition mit voller Überzeugung vertritt. Jemanden wie Diana, die in ihren Verhalten immer wieder abweicht („She is late“, ist seine erste nasenrümpfende Bemerkung), kann er nicht wirklich akzeptieren: „If you arrive, you arrive in time.“ Und „None is above tradition“, lässt er sie wissen, und eine Tradition, die Prinz Albert (der Gatte von Königin Victoria!) 1847 eingeführt hat, muss offenbar für alle Zeit respektiert werden. Ob Diana das nun will oder nicht. Nein, sie will nicht.
Ebenfalls erfunden ist die Figur, die Sally Hawkins spielt, eine Mischung aus Kammerfrau und Beraterin. Aber auch von ihr kann man, neben Wohlwollen, nicht wirklich erwarten, dass sie Verständnis dafür hat, dass Diana – die brav vor der Königin knickst – sich einfach nicht einfügen kann. Diana unter Dauerbeobachtug, Diana, die sich so verfolgt fühlt, dass sie innerlich ausrastet.
Der Film ist fast immer dicht bei Diana, bei ihrem Gesicht. Rundum findet „Weihnachten“ (wichtig ist, die richtigen Kleider zu wählen!) als zeremonielles Dinner statt, das sie nicht aushält – sie stürzt auf die Toilette, um das Essen wieder von sich zu geben. (Ihre Bulimie war ja bekannt.) Niemand setzt sich mit ihr auseinander, sie ist ein spürbarer Fremdkörper, Charles drückt ohne Sprache Missbilligung aus, nur die kleinen Söhne versuchen, mit „Mummie“ zu kommunizieren. Der Film macht aber auch klar, wie schwierig ihr erratisches Verhalten für die Buben gewesen sein muss.
Dissonante Musik durchzieht den Film und reflektiert Dianas dauerndes Unbehagen… Als sie nachts im Nebel spazieren geht, halten Sicherheitsbeamte sie auf. Sie könnte ja ein Eindringling in die abgeschlossene Welt der Königsfamilie sein – die seltsam leblos wirkt…
Kristen Stewart ist als Diana überzeugender, als Naomi Watts es zuletzt in ihrem Diana-Film war. Sie ist nicht nur „Frisur“, Kleidung und Makeup, sie hat auch diesen richtigen, immer etwas ratlosen Blick, die leicht schräge Kopfhaltung, die gewisse atemlose Art zu sprechen, die man ja von Diana kannte. Gleichzeitig ist da noch der rebellische Kern, um den es bei der Geschichte geht, die der Regisseur so gern in Nebel hüllt – und man es dennoch darunter „knirschen“ fühlt.
Ist dieser Film, den Pablo Larraín „die Fabel einer wahren Tragödie“ nennt, die weitere Ausbeutung einer berühmten, nun schon historischen Figur, an der sich vermutlich noch viele Bücher und TV-Serien abarbeiten werden? Oder ist es der ehrliche Versuch einer Annäherung? Sicherlich ist es eine Grundsatzgeschichte: Ein Mensch, der in eine Rolle gezwungen wird, die ihm nicht passt. Und der daran scheitert. Das machen Regisseur und Hauptdarstellerin sehr eindrucksvoll klar.
Renate Wagner