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Film: SPEAK NO EVIL

Traue keinem Fremden!

18.09.2024 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  19. September 2024
SPEAK NO EVIL
USA  /  2024
Drehbuch und Regie: James Watkins
Mit: James McAvoy, Mackenzie Davis, Scoot McNairy,
Dan Hough u,a.

Traue keinem Fremden!

Die Ausgangssituation wirkt völlig glaubhaft. Ein idyllisches italienisches Städtchen, eine amerikanische Familie, die in London lebt – Ben, Louise und die etwa zwölfjährige Tochter Agnes sind gut erzogene, sympathische Leute. Im Urlaub lernt man sich leicht kennen, zumal, wenn man dieselbe Sprache spricht. Und Paddy, angeblich Arzt, seine um einiges jüngere Frau und ihr kleiner Sohn Ant, der eine nicht näher definierte Sprechbehinderung hat, scheinen ja recht nett – zumal es Paddy mit einer Aufdringlichkeit, die er mit überströmender Freundlichkeit bemäntelt, so richtig darauf angelegt hat, die Daltons gleich in Beschlag zu nehmen.

Dennoch enden solche Bekanntschaften normalerweise mit dem Ende des Urlaubs. In diesem Fall aber besteht Paddy geradezu darauf, dass die Daltons ihn und seine Familie in ihrem Landhaus weit ab von London besuchen. Und obwohl Louise mit dem gesunden Instinkt einer intelligenten Frau ganz richtig fragt, warum man zu Leuten fahren soll, die man kaum kennt, geschieht es trotzdem – eigentlich aus Höflichkeit, um den scheinbar so freundlich fordernden  Paddy nicht zu enttäuschen.

Nun, es ist ein Horrorfilm, und darum kann man sich inetwa vorstellen, wie es weitergeht. Man hat es hier mit dem Remake eines gleichnamigen dänischen Films von 2022 zu tun , der sehr erfolgreich war – man weiß, dass die Skandinavier die Horror-Schraube besonders stark anziehen können. Aber dem britischen Regisseur James Watkins, der bisher vor allem durch die gelungene Verfilmung des Klassikers „Die Frau in Schwarz“ (mit „Harry Potter“ Daniel Radcliffe in der Hauptrolle) reüssiert hat, gelingt das auch.

Dabei setzt er weniger, wie es bei „Häusern auf dem Land“ sonst üblich ist, auf schaurige Atmosphäre, als auf die Interaktion der Schauspieler. Sie lassen den Pegel der Nervosität, in der sich die Daltons befinden, auch für zu Zuschauer stetig ansteigen.

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Was in erster Linie an James McAvoy liegt, der eine wahre Gänsehaut-Leistung liefert. Obwohl erst Mitte 40, ist er „schwerer“ geworden, hat gewissermaßen seinen Typ verändert, spielt die aufdringliche „Herzlichkeit“ mit einer schreckenerregenden Intensität. Der Wahnsinn, der nach und nach ausbricht (das ist kein Spoiler, das wird quasi von Anfang an klar), ist permanent spürbar. Ein Mann zum Fürchten, auch wenn sein Lächeln  immer wieder so gewinnend erscheint. An seiner Seite scheint Aisling Franciosi nur ein hübsches, unterwürfiges Mäuslein zu sein, bis auch sie zeigt, was Furchtbares in ihr steckt.

Der Film wäre nicht so stark, gäben Mackenzie Davis und Scoot McNairy nicht so überzeugend gut erzogene Leute ab, die auch Paddy zunehmende Unverschämtheiten mit banger Höflichkeit hinnehmen, einmal von dem Landsitz zu fliehen versuchen, zurück kommen und gerade noch rechtzeitig merken, dass sie sich wehren müssen, wenn sie überleben wollen.

Aber was den Film darüber hinaus besonders macht, sind die Kinder – das Mädchen (die dreizehnjährige Alix West Lefler), das sofort Kontakt zu dem stummen Jungen findet, der so verzweifelt versucht, ihr etwas zu sagen. Hier darf man nicht spoilern (nur, dass dieser Ant für eine schreckliche Schlußwendung sorgt) – bloß anmerken, dass der kleine Dan Hough eine stellenweise atemberaubende Meisterleistung liefert.

Der Film wird am Ende so blutig, grausam  und brutal, dass man sich  fragt– wie so oft im Kino – , warum man sich dergleichen antut. Aber man weiß, dass das Genre Film für Grenzerfahrungen wie gemacht ist, und hier handelt es sich wohl um eine. Die verdammt gut gemacht und gespielt ist.

Renate Wagner

 

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