Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Film: SORRY, BABY

Gratulation, Baby!

18.12.2025 | FILM/TV, KRITIKEN

film sorrybpl xxakat de a4~1

Filmstart: 18. Dezember 2025 
SORRY, BABY
USA  /  2025
Drehbuch und Regie: Eva Victor
Mit: Eva Victor, Lucas Hedges, Naomi Ackie u.a.

Gratulation, Baby!

Eva Victor, in Frankreich geborene Amerikanerin, knapp über 30, war bisher ein Geheimtipp. Als Heldin  des Films „Sorry, Baby“ wurde sie als Beste Hauptdarstellerin für den „Golden Globe“ nominiert (dürfte aber neben Schwergewichten wie  Julia Roberts und Jennifer Lawrence vermutlich keine reellen Chancen haben). Aber sie ist auch Drehbuchautorin und Regisseurin dieses Films, was ihr zu Recht eine Menge Beachtung verschafft hat.

Denn die in fünf Kapiteln erzählte Geschichte von Agnes,  einer jungen erst Literatur-Studentin, dann Literaturprofessorin, die mit dem Schock einer Vergewaltigung leben muss, ist durchaus bemerkenswert. Eine junge, weibliche Sicht, ganz abseits der tobenden Feministinnen-Klischees. Und übrigens – als Agnes in der Universität meldet, was ihr Professor ihr angetan hat, als er sie unter dem Vorwand, über ihre Theses zu sprechen,  in sein Haus zitiert, bekommt man zwar die offenbar in aller Welt übliche Phrase: „Wir nehmen das sehr ernst“ – aber getan wird natürlich nichts. Und Agnes, die weiß, dass der Mann ein kleines Kind hat, sieht von einer Anzeige bei der Polizei ab, um sein Leben nicht zu ruinieren… Und sie tut das so ruhig, dass weder Edelmut noch Heldentum aufkommen.

film baby e ccva victo sie est in sorry~1

Wir leben in einer Welt, wo den Tätern im allgemeinen viel mehr (oft hechelndes) Interesse zugewendet wird als den Opfern. Nicht hier, Wie geht eine junge Frau mit diesem Schock um? Man erfährt es kapitelweise, nicht chronologisch. Zuerst lernt man Agnes, bisexuell, mit ihrer gleichfalls bisexuellen, PoC Freundin Lydie (Naomi Ackie) kennen – viel seelische Unterstützung, aber kein Halt auf Dauer, denn Lydie zieht nach New York, um eine andere Freundin zu „heiraten“.

Agnes, die im zweiten Kapitel als graduierende Studentin keinen festen Boden unter den Füßen hat, interessiert sich persönlich nicht für Professor Preston Decker (Louis Cancelmi), weiß aber genau, wie wichtig er für ihre Promotion und mögliche Stellung an der Universität ist.  Wenn sie also in sein Büro kommt, ihre Arbeit zu besprechen, und er sie per Handy zu sich nach Hause zitiert, geht sie hin. Und Eva Victor gestaltet das, was passiert, höchst raffiniert – man sieht nur das Haus von außen sieht die Dämmerung hereinfallen und dann nachts Agnes aus dem Haus stürzen und wild davonfahren. Sie erzählt Lydie, was passiert ist, und später werden kurze Fetzen der Gewaltszenen durch den Film spuken, aber letztendlich hat eine junge Frau, wenn sie denn nicht vor Gericht geht, nur eine einzige Möglichkeit – nämlich, die Sache mit sich selbst abzumachen…

Man erlebt Agnes in der Folge in einer auch sexuellen Beziehung mit Gavin, einem liebevollen jungen Mann aus der Nachbarschaft (Lucas Hedges, der in „Ben is back“ einst so eindrucksvoll den drogensüchtigen Sohn von Julia Roberts gespielt hat), fühlt aber mit ihr, wie gestört ihr Verhältnis zu Männern ist, dass sie seinen Wunsch nach Familie und Kindern wohl nicht erfüllen wird.

Obwohl – als Lydie und ihre Freundin (die beiden haben ein Baby, weiß der Himmel, wie) sie besuchen und sie mit dem Kleinkind allein ist, plaudert sie mit diesem kleinen Geschöpf mit den großen Augen  über das Leben, darüber dass „Bad things happen“, und wenn man Agnes auch traurig zurück lässt, so doch nicht ganz hoffnungslos.

Es ist ein Frauenfilm über ein hoch aktuelles Problem, wenn man allein die Zahlen ansieht, wie vielen Frauen (in Deutschland und Österreich ist es jede dritte!) in ihrem Leben sexuelle Gewalt erfahren. Dass Eva Victor in ihrem Film, der meisterlich viele sexuelle Formen mit aller Selbstverständlichkeit einbringt, daraus keine reißerische Anklage, keine sentimentale Opfer-Geschichte, sondern ein tief schürfendes Porträt macht, das manchmal sogar mit etwas Humor durch zu atmen scheint, ist bemerkenswert. Sorry, Baby sagt die Welt zu vergewaltigen Frauen. Kompliment Baby, für diesen gelungenen Film.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken