Filmstart: 10. Juli 2020
SEMPER FI
ISA / 2019
Regie: Henry Alex Rubin
Mit: Jai Courtney, Nat Wolff u.a.
Es fängt so „gemütlich“ an, jedenfalls, wenn man sich unter „richtigen Kerlen“ wohl fühlt. Sie kegeln, trinken Bier, unterhalten sich lautstark, jedes zweite Wort ist „fuck“. Kurz, Alltagsrituale im täglichen Umgang von befreundeten Männern, die fest zusammen halten – nicht gerade Intellektuelle, aber Kerle, die man sich gut in Uniform vorstellen kann. Und in dieser stecken sie bald – und ab in den Irak.
Bis auf einen von ihnen, bis auf Oyster (Nat Wolff), denn er ist wegen Totschlags lebenslänglich ins Gefängnis expediert worden. Und von ihm und seinem aufrechten Bruder Cal (Jai Courtney), seines Zeichens Polizist, handelt der Film vordringlich. Der starke Bruder und der schwache, darauf läuft es hinaus – auf den Psychoterror, der sich in Familien abspielt, auf die Ressentiments, die Starker und Schwacher („Ich war in deinen Augen immer ein Loser!“) gegen einander hegen, auf die tiefen, bitteren Vorwürfe, die gemacht werden. Die Auseinandersetzung zwischen den Brüdern dann im Gefängnis ist wohl die stärkste Passage des Films, die Unversöhnlichkeit des Jungen schmerzt… Dass er lebenslänglich ins Gefängnis musste wenn auch keine Mordabsicht dahinter gestanden hat, als eine Wirtshausrauferei tödlich endete, während die anderen zum Töten ausgeschickt und dafür dekoriert werden, soll vielleicht ein Denkansatz sein, der allerdings nicht wirklich ausgeführt wird.
Der „Action“-Rest der Geschichte kann einfach nicht wirklich überzeugen. „Semper fi“ ist das „Allzeit getreu“, das diese Freunde und Soldaten an einander bindet – so sehr, dass sie eigentlich das Unmögliche tun. Sie beschließen, Oyster aus dem Gefängnis zu befreien, ohne dass man sich vorstellen kann, wohin so etwas im Endeffekt führen mag? Egal. Ihre „Treue“ bringt sie dazu, und ihre Fähigkeit als Elitesoldaten macht es nicht allzu schwer, einen Gefangenentransport zu überfallen, Oyster zu befreien – und Cal verdrückt sich rechtzeitig, um zu der Polizeitruppe zu gehören, die den Flüchtigen sucht, damit er nicht als Mittäter in Verdacht gerät…
Das ist es dann auch eigentlich schon. Was mit Oyster geschehen wird, wenn es den anderen gelingt, ihn wie geplant über die kanadische Grenze schaffen, will man sich eigentlich nicht ausdenken. Der Film bleibt in der Geschichte, die er erzählt, unbefriedigend, hängt vor allem am Ende in der Luft. Und in der Form, in der erzählt wird, bleibt die Sache ziemlich trocken, nicht nur, weil gerade mal eine Frau am Rande dabei ist und nichts zu vermelden hat, sondern weil auch die anderen Freunde konturlos bleiben.
Und eine unglückselige Brüder-Geschichte hat man oft überzeugender gesehen als in diesem Film von Henry Alex Rubin, der es auch damit nicht schafft, seiner Filmographie einen Titel von einiger Bedeutung hinzu zu fügen.
Renate Wagner