Filmstart: 10. Juli 2020
SCHWARZE MILCH
Deutschland, Mongolei / 2020
Regie und Drehbuch: Uisenma Borchu
Mit Uisenma Borchu, Gunsmaa Tsogzol, Terbish Demberel, Franz Rogowski u.a.
Eine schäbige Wohnung in Berlin, mongolische Klänge aus dem Radio, ein Mann, der das genervt abdreht und mit der Frau, sichtlich einer Mongolin, zu streiten beginnt. Sie werde ohnedies nicht fahren, brüllt er herum… Franz Rogowski ist gefühlt ein paar Sekunden auf der Leinwand, aber genug, dass man ihm nicht im Dunkeln begegnen möchte. Und auch gut versteht, dass die Frau – Schnitt! – sozusagen gleich am Flughaften und wiederum gleich in der Mongolei ist. Sie ist also doch gefahren – der Grund für diese Reise wird allerdings nicht wirklich klar.
Man begleitet sie erst in die Hauptstadt, dann auf einem langen Weg zu einer einsamen großen Jurte irgendwo im Nirgendwo. Dort, wo sie einst in Richtung Europa davon gelaufen zu sein scheint. Wie gut, dass die Frau, die aus dem Westen kommt, „Wessi“ heißt, und ihre Schwester, zu der sie reist, den Namen „Ossi“ trägt. Diese lebt mit ihrem Gatten, der offenbar kein Gewinn ist (dennoch ist Ossi nach langem Bemühen endlich schwanger) nomadisch mit ihren Tieren, die nächsten Menschen sind viele Kilometer entfernt. Ein Leben in der Natur, deren karge, schroffe Schönheit, in der Tiere eine große Rolle spielen, durchaus eingefangen wird… aber einen „Reise-Film“ hat die in Deutschland lebende, mongolisch-stämmige Filmemacherin Uisenma Borchu (mit sich selbst in der Hauptrolle der „Wessi“) eigentlich nicht gedreht.
Was sie vom Alltagsleben der Menschen dort erzählt, ist nicht sonderlich spannend, und es läuft eigentlich auf die Konfrontation der Schwestern hinaus. Denn anders, als man es erwarten würde, fällt Ossi (sehr stark: Gunsmaa Tsogzol) der Schwester nicht beglückt um den Hals. Viel mehr werden von Anfang an starke Ressentiments gegen diejenige, die weg ging und sich wahrscheinlich besser vorkommt, spürbar. Es ist ein den ganzen Film durchziehender Kampf der beiden, direkt und indirekt ausgetragen, wobei Ossi nicht darauf eingehen will, dass Wessi ihr weibliches „Selbstbewusstsein“ gegenüber Männern beibringen will, das der Mongolin nie in den Sinn käme und ganz fremd ist.
Der Kampf der Schwestern wird erst ganz am Ende versöhnlich. Dann nämlich, wenn Ossi die traurige Wessi, die vergeblich auf ein Glück mit dem seltsamen, eigenbrödlerischen Terbish (Terbish Demberel) gehofft hat, tröstend in die Arme nimmt… Wie die Geschichte weitergehen sollte? Man kann es sich schwer vorstellen.
Offenbar war sich Uisenma Borchu der inhaltlichen Dürftigkeit der Geschichte bewusst, darum versucht sie immer wieder, sie stilistisch „interessant“ zu machen, durch ein paar „magische“ Rückblenden, durch ein paar Krassheiten, darunter eine Vergewaltigungsszene, in der Wessi den Spieß umdreht und den Eindringlich mit der „schwarzen Milch“ ihrer Brüste zu locken sucht… Immer wieder ist es formale Künstlichkeit, die befremdet, weil sie mit der Geschichte nicht in Einklang zu bringen ist.
Milch allerdings als Symbol, um die Unterschiedlichkeit der Welten klar zu machen, funktioniert, wenn Wessi ihrer Schwester von Kleopatra erzählt, die in Milch gebadet hat – und Ossi entsetzt ist über solche Verschwendung, bedeutet Milch doch für die Mongolen die vielleicht wichtigste Basis ihrer Existenz. Und doch wird sie, heimlich, nackt badend, Milch über ihren Schwangerschaftsbauch tröpfeln…
Renate Wagner