Filmstart: 1. Mai 2025
RUST
USA / 2024
Drehbuch und Regie: Joel Souza
Mit: Alec Baldwin, Patrick Scott McDermott i.a.
Stimmung statt Spannung
Ist jede Werbung für ein Produkt, das man verkaufen will, gut, oder gibt es Grenzen – etwa Menschenleben? Jeder hat mehrfach über den Film „Rust“ gelesen, einem Western, wo jeder Mann schier ununterbrochen eine Pistole oder ein Gewehr in den Händen hält. Wie es passieren konnte, dass es am Set tatsächlich eine geladene Waffe gab, mit der die Kamerafrau erschossen wurde, konnte nicht aufgeklärt werden.
Dass der Film nach langen Prozessen tatsächlich beendet wurde und nun in die Kinos kommt, ist tatsächlich erstaunlich. Aber er ist nicht wegen der zweifelharten Publicity, die sich daran knüpft, bemerkenswert. Sondern weil er vermutlich, die harte Männerwelt des „Wilden Westens“ schildert, wie sie war. Gnadenlos hart – und gewissermaßen traurig.
Im „Wilden Westen“ der 1880er Jahre war man imstande, einen 13jährigen Jungen hängen zu wollen, obwohl allen klar war, dass er einen Mann nur aus Versehen erschossen hat. Lucas (eindrucksvoll, androgyn, glaubhaft: Patrick Scott McDermott) sitzt im Gefängnis und wartet auf seine Hinrichtung, als – wie in Drehbüchern üblich – der große Unbekannte erscheint und ihn rettet. Der harsche, schweigsame alte Mann entpuppt sich Harland Rust, sein Großvater, Vater seiner Mutter, von dem Lucas nie gehört hat. Als er den Alten fragt, wie viele Menschen er schon getötet habe, kann dieser die Zahl nicht nennen… der klassische Outlaw eben.
Dennoch, wie ein Killer wirkt Alec Baldwin, sehr alt geworden und damit interessanter als in seinen jungen, hübschen Jahren als Kim-Basinger-Gatte, nicht. Glaubhaft nimmt er den Jungen auf ein Überlebens-Road-Movie mit, wo er ihn in Mexiko bei Verwandten abgeben und der US-Justiz entziehen will.
Klassische Western wie diese sind nur spannend, wenn die „Helden“ (die sich langsam an einander annähern, obwohl beide ziemlich störrisch sind) gejagt werden. Hier ist nicht nur die Justiz hinter ihnen her, sondern auch ein skrupelloser Kopfgeldjäger, der auch am Rand des Weges mit einer einsamen Farmersfrau schläft, um Informationen zu bekommen…
Regisseur Joel Souza geht den Western, den er selbst geschrieben hat, ganz langsam an – und mit satten zweieinviertel Stunden auch um einiges zu lang. Stimmung statt Spannung ist angesagt, die harte, aber eindrucksvolle Natur spielt mit, Melancholie im harten Westen. Es gibt zwar die üblichen Dialoge mit kurzen, „lebensweisen“ Sequenzen, aber sentimental ist man in dieser Welt nicht. Am Ende wird ja doch jemand gehängt…
Im Nachspann erklärt der Regiseur, dass man im Einvernehmen mit der Familie der getöteten Kamerafrau beschlossen habe, den Film doch fertig zu stellen und zu veröffentlichen, wobei die Gewinne an die Überlebenden der Verstorbenen gehen. Die „moralische“ Frage hinter dem Projekt muss jeder für sich selbst entscheiden.
Im Kino sieht man einen Western, der gut gedacht und gut gemacht ist, aber sicher nicht in der A-Klasse rangiert. Gäbe es ihn nicht, wäre es auch kein Verlust.
Renate Wagner