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Film: PROXIMA: DIE ASTRONAUTIN

25.07.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  30. Juli 2021  
PROXIMA: DIE ASTRONAUTIN
Proxima  /  Frankreich, Deutschland  / 2019
Drehbuch und Regie: Alice Winocour
Mit: Eva Green, Lars Eidinger, Zélie Boulant-Lemesle, Matt Dillon u.a.
Flüge in den Weltraum machen derzeit Schlagzeilen. Aber hier geht es nicht um Millionäre, die sich einmal für zehn Minuten ins All schießen lassen. So „unernst“ ist die Geschichte der Französin Sarah Lorenau nicht. Sie soll als Astronautin an einer international besetzten, einjährigen Mars-Weltraum-Mission namens „Proxima“ teilnehmen – und man könnte sich in der Behandlung dieses Themas dazu vieles vorstellen.

Existenzielle Fragen, denn es wäre verblendet nicht damit zu rechnen, dass man davon nicht zurückkehrt. Psychologische (wie verkrafte ich das?), emanzipatorische (endlich auch Frauen im All!), philosophische (der Mensch im All – was bedeutet das?).

Die französische Regisseurin Alice Winocour (deren letzter Film „Der Bodyguard – Sein letzter Auftrag“ bestenfalls durchschnittlich war) sieht das Thema anders. Feministisch gewissermaßen. Denn es geht Sarah Lorenau zwar um den Flug ins All, aber genau so  – um ihre kleine Tochter. Im Grunde ist es ein entweder – oder. Normalerweise würden Mütter angesichts einer solchen Entscheidung das Leben (mit dem Kind) und nicht das lebensgefährliche Risiko wählen. Hier hingegen wird die Problematik – allerdings mit gerüttelter Sentimentalität, wie immer, wenn kleine Kinder in den Vordergrund gerückt werden – detailliert abgehandelt.

Sicher, es wird vieles angeschnitten. Natürlich kann eine Frau auch für den Beruf einer Astronautin „brennen“ und sich den schwierigsten Vorbereitungen aussetzen, mit allen Zweifeln und Hoffnungen, die eine dermaßen überdimensionale Perspektive mit sich bringt. Das Training findet in Russland und Kasachstan statt, man erlebt einen extrem fordernden Alltag unter Kollegen (sprich Männern, Russen wie Amerikaner, „harte Burschen“), wo sich die Französin ihren Platz erobern muss: Eine Rolle, die Eva Green bemerkenswert ausfüllt.

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Ihre siebenjährige Tochter Stella (Zélie Boulant-Lemesle) lebt einstweilen bei Sarahs geschiedenen Mann Thomas in Deutschland. Lars Eidinger (ja, der „Jedermann“) ist zwar ein liebevoller Vater, sieht allerdings nicht ein, warum ihm die Ex das Kind aufdrückt – und auch nicht, dass sie ihr Leben riskiert. Da ist sehr viel Groll, den er überzeugend (gar nicht auf „sympathisch“) los lässt.

Für Mama Sarah ist es extrem schwer (und das macht das Drehbuch der Regisseurin sehr klar), der kleinen Tochter via Skype mitzuteilen, was sie tut – und dass ihre Rückkehr zumindest ein Jahr auf sich warte lässt. (Auch eine ziemliche Zumutung für eine Siebenjährige.) Und als sie sich noch einmal (letztmals?) in persona sehen, weil Stella zu Mama nach Kasachstan darf (zum Abschied…), wird es logischerweise herzzerreißend…

Die Problematik der arbeitenden Mütter stand lange im Zentrum von Diskussionen, auch in künstlerischer Form. Heute schert sich kaum mehr jemand darum. Die Frauen haben ihren Platz in der Arbeitswelt eingenommen (eine Ministerin nach der anderen bekommt mitten im Job Kinder und kehrt bei erster Gelegenheit hinter ihren Schreibtisch zurück) – man geht davon aus, dass es die Frauen schon „irgendwie“ schaffen, schließlich wollen sie es. Alice Winocour hat sich dazu die Extrem-Situation ausgedacht – lebensgefährlicher Job, leidenschaftlich ausgeübt hier, das Kind da. Was jetzt?

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„Proxima“ spielt die Gefühlstöne und -ströme durch (die Astronautenhandlung tritt da in die zweite Reihe), problematisiert die Frage, was eine Frau sich selbst (ihrer Selbstverwirklichung) und was sie ihrem Kind (der selbst gewählten Mutterschaft) schuldet, bis ins Extrem.

Dass Sarah dann mit den anderen in die Raumfähre geht, ist das Ende der Geschichte – nein, so sentimental, dass sie in letzter Minute zurück läuft, ist sie nicht. Die Astronauten-Situation ist im Grunde nur das Vehikel dafür, dass sich eine Frau (versteht man wirklich, warum sie es tut? Eigentlich nicht) freiwillig einer extremen Situation aussetzt und alles andere hinter sich lässt. Vielleicht sollte man das als Standpunkt auch bewundern?

Renate Wagner

 

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