Filmstart: 6. Jänner 2022
PLÖTZLICH AUFS LAND
Les Vétos / Frankreich / 2020
Regie: Julie Manoukian
Mit: Noémie Schmidt, Clovis Crnilla u,a,
Frankreich hat mit „Ziemlich beste Freunde“ und den „Monsieur Claude“-Streifen den „Pseudo-Problemfilm“ erfunden, der vorgibt, sich mit den Krisen der Gegenwart auseinander zu setzen, diese aber dann nur verzuckert darbietet. „Plötzlich aufs Land“ fällt nicht ganz, aber letztlich doch in diese Kategorie, denn Regisseurin Julie Manoukian (es ist ihr erster Film) will ihr Thema zwar ernst, aber wieder auch nicht zu ernst nehmen und lässt viel Komik aus der Vitalität französischer Charaktere in die Geschichte fließen.
Aber richtig tief geht die Geschichte um die junge Tiermedizinerin, die in Paris eine Forschungskarriere anstrebt, aber von ihrem Onkel Michel (Michel Jonasz) in ihren Geburtsort in der Provinz – es ist Burgund – zurück beordert wird, um seine Stelle als Tierarzt einzunehmen, nicht.
Zumindest wird ein Klischee nicht bedient: Der Kollege des Onkels, mit dem sie nun zusammen arbeiten muss, ist kein Schönling des französischen Films, sondern in Gestalt von Nico (Clovis Cornillac) ein schwer überlasteter Mann mittleren Alters, verheiratet, sicher kein Objekt der Begierde. Und begeistert ist er auch nicht davon, eine Anfängerin aufs Auge gedrückt zu bekommen. Aber die Stadien des Zusammenraufens der beiden sind letztlich auch klassisch.
Landleben ist nicht Stadtleben, das lernt die Heldin auf die harte Tour. Eine Tierärztin, die nicht freundlich beschwichtigt, sondern einem Hundebesitzer sagt, dass sein Tier depressiv ist, kommt schlecht an in der französischen Provinz. Es geht nämlich nicht nur um die Tiere, die genug Arbeit machen und genügend Herausforderungen bereiten, sondern auch um die Besitzer der Tiere, oft arme Bauern mit schweren Problemen – sie sei keine Psychiaterin, begehrt Alexandra auf, aber genau das wird hier auch verlangt, versucht Nico ihr klar zu machen. Im übrigen wieseln die typischen Dorffiguren herum – die harschen Männer, die rührigen Frauen, die aufgeweckten Kinder.
Der Film tümpelt weitgehend so dahin, wie der Alltag eben ist. Alexandra lernt ihren Job – man sollte als Zuschauer schon was für Tiere übrig haben, sonst sind die diversen Behandlungen nicht unbedingt unterhaltend. Am allerwenigsten will man einer Kuh beim Gebären zusehen – außer man ist halt ein Fan dieser Art „der Doktor und das liebe Vieh“-Geschichten.
Noémie Schmidt ist eine sehr junge, sehr sympathische Blondine, der man ihre Ambitionen und Probleme glaubt, ohne dass allzu dramatisch auf die Tube gedrückt wird. Aber dennoch gibt es mit einem entsprechend hübschen jungen Mann dann das leicht rührselige Happyend, das der jungen Dame das vermutlich künftig permanente Landleben versüßt…
Und damit wäre man wieder bei den Pseudo-Problemfilmen, die den Franzosen so gut gefallen. Von „Le Parisien“ als „une très jolie comédie rurale“ gelobt, sind, wie man lesen kann, trotz der Pandemie schon über eine Million Franzosen (vermutlich meist Großstädter) ins Kino geströmt, um sich von den Freuden des Landlebens beglücken zu lassen. Ob der Film allerdings zu verstärkter Stadtflucht führen wird, möchte man bezweifeln.
Renate Wagner