Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Film. PLEASURE

10.01.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

film pleasure

Filmstart: 14. Jänner 2022
PLEASURE
Schweden / 2021 
Drehbuch und Regie: Ninja Thyberg
Mit: Sofia Kappel i.a.

Sie ist nicht das erste und nicht das letzte junge Mädchen, das sein Glück in Los Angeles sucht. Als die 19-jährige Schwedin Linnéa in den USA ankommt („Business or pleasure?“, fragt der Beamte bei der Einreise, und sie antwortet „Pleasure“), will sie allerdings nicht zum Film im üblichen Sinn, sie will auch nicht Model werden, obwohl ihr als junger, blonder, skandinavischer  Schönheit wohl auch das offen stünde. Sie strebt sofort die Pornoszene an… und wir erleben eindreiviertel Stunden lang mit ihr, wie es dort zugeht. Was stellenweise hart anzusehen ist.

Die Schwedin Ninja Thyberg hat die Pornofilm-Industrie ganz ohne Zweifel genau studiert, und es geht ihr keinesfalls darum, den  Voyeurismus eines gewissen Teils des Publikums zu bedienen. Im Gegenteil – ihre Analyse lässt keinen Zweifel daran, wie grauenvoll und menschenverachtend hier ein riesiges Geschäft aufgezogen wird, wo der Einzelne nichts bedeutet.

Die junge Schwedin, die sich in ihrer Ambition, der nächste große Porno-Star zu werden,  Bella Cherry nennt,lernt schnell,  dass man sie austauscht, wenn sie nicht funktioniert: Niemand wird gezwungen, es stehen genügend Mädchen Schlange, die bereit sind, alles zu tun. Nicht nur ihren Körper auszustellen und Sex vor der Kamera zu produzieren, sondern auch sich demütigend schlagen und quälen zu lassen, in Sado-Maso-Outfit zu schlüpfen, Anales und Lesbisches nicht vorzuspielen, sondern wirklich zu tun… es bereitet wahrlich keine Lust, hierbei zuzusehen. Aber Agenten, Produzenten, Regisseure spulen das mit unberührter Geschäftsmäßigkeit ab.

Dabei macht „Bella Cherry“ ihren Weg von der naiven Anfängerin, die nach und nach ihr Schicksal via Agenten selbst in die Hand nimmt, zum abgebrühten Star, sie wird (in einer schrecklichen Gewaltszene, die sie einer anderen Frau bereitet) vom Opfer zur Täterin… Und die blonde Sofia Kappel geht durch all diese Stationen, dass es einem stellenweise das Herz umdreht.

Nur zweierlei vermisst man an diesem Film: Dass Bella Cherry kein Privatleben hat, ist verständlich, sie hetzt von einem Auftrag zum nächsten. Aber warum sie sich für diese schreckliche, demütigende Karriere entschlossen hat, ahnt man nicht einmal. Dass sie, die offenbar aus einem kleinen schwedischen Ort kommt, einmal erwähnt, wie langweilig und larmoyant die schwedischen Männer seien, kann ja nicht direkt in die Gewaltporno-Industrie führen. Es muss um Geld gehen, vermutlich verdienen nicht nur die vordringlich männlichen „Macher“ der Szene sehr gut, sondern auch die Mädchen, die alles mit sich „machen“ lassen. Aber davon kein Wort, dabei wäre dieser soziale Aspekt doch auch auszuleuchten, aber gezeigt werden nur die freudlosen Mechanismen einer Branche, die in ihrer Skrupellosigkeit und Geldgier alles niederwalzt. Nur einmal, beim Mädel-Gespräch untereinander, die Forderung, die Frauen sollten mehr zu bestimmen haben. Aber das wirkt in dem Film wie ein aufgepfropftes Zugeständnis zur Frauenproblematik –  wo doch hier gezeigt wird (und das ist vielleicht der interessanteste Aspekt), was Frauen freiwillig mit sich machen lassen.

„Pleasure“ für Yoyeure als Business – nie geht die Regisseurin in die Falle, die Konsumenten der Porno-Branche selbst zu bedienen. Sogar diesen müsste übel werden, wenn sie sehen, unter welchen Bedingungen die Filme entstehen, die sie für viel Geld konsumieren…

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken