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Film: ONE LIFE

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

28.03.2024 | FILM/TV, KRITIKEN

one life poster

Filmstart: 28. März 2024 
ONE LIFE
GB / 2023
Regie: James Hawes
Mit: Anthony Hopkins, Helena Bonham-Carter, Johnny Flynn, Lena OIin  u.a.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

One Life – ein Leben. Ein Leben nur? Wer ein Leben rettet, rettet die Welt, heißt es im Talmud. Nicholas Winton hat 669 Leben gerettet. Nicht der Rede wert angesichts von sechs Millionen verlorenen Leben durch den Holocaust? Sehr wohl der Rede wert. Diesen Nicholas Winton hat es wirklich gegeben, und ein Film setzt ihm ein Denkmal.

onelife hopkins xx 1~1

Es beginnt damit, dass (man schreibt 1988) der ruhige alte Herr (eine Traumrolle für den alten Anthony Hopkins) von seiner Gattin (Lena Olin) wieder einmal aufgefordert wird, er möge doch seine alten Sachen wegwerfen, die keiner mehr braucht. Oder verschenken, etwa die Aktentasche, die da seit Jahrzehnten in einer Lade seines Schreibtisches liegt. Aber als der alte Herr  die Tasche hernimmt, befindet sich darin ein Tagebuch, das ihn in frühere, schreckliche Zeiten zurück bringt.

Das war vor 50 Jahren, 1938, als der 29jährige Londoner Börsenmakler Nick Winton (Johnny Flynn) nach Prag kam – und sah, wie die Nationalsozialisten mit den dortigen Juden umgingen  (was mit ihnen geschehen würde, war nicht auszudenken). Aus Deutschland und Österreich geflohene Juden lebten unter den unmenschlichsten Bedingungen. Vor allem das Schicksal der Kinder schnitt Winton ins Herz. Nicht, weil er selbst Jude war (sein Judentum war von seinen Eltern in England wegassimiliert worden), sondern weil er ein Mensch war, der hier nicht tatenlos zusehen konnte. Und so begann er aus ureigenster Initiative dieses Rettungswerk. 

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Der Film von Regisseur James Hawes, der zweifellos bewusst stark dokumentarischen Charakter trägt, zeichnet nun die unendlichen Schwierigkeiten nach, zumindest die jüdischen Kinder vor dem Zugriff der Nazis zu retten, indem man sie nach England brachte, wofür Winton mit verzweifelten Aktionen auch seine Familienmitglieder und Freunde einsetzte. Seine Mutter (Helena Bonham Carter ) leistete Ungeheures mit ihrem beständigen und dabei würdevollen Einsatz bei den Behörden., denn die Engländer waren a priori  gar nicht davon angetan, für die Kinder Visa auszustellen. Winton musste in Prag Menschen finden, die idealistisch wie er die ungeheuren bürokratischen Arbeiten übernahmen, man musste schließlich in England für jedes Kind Pflegefamilien finden – für kurze Zeit nur, hoffte man, dann wäre der Spuk vorbei sein und sie könnten zu ihren Eltern zurückkehren. Nicht ein einziges Kind hat diese wieder gesehen…

669 Kinder kamen auf diese Art nach England (unter den verächtlichen Sprüchen der Deutschen, die sie fahren ließen: Warum wollen die Engländer nur diese Juden?) Der letzte Zug, der weitere Kinder retten sollte, durfte nicht abfahren, wurde in die Konzentrationslager umgeleitet, was für Winton, der später nie über seine Tat gesprochen hat, eine ewige, schmerzliche Wunde darstellte…

Die Handlung springt immer wieder ergreifend (aber so unkitschig wie möglich)  zu dem  alten Mann, dessen Leistung dann doch offenbar wurde.  Dass er von der Queen geadelt wurde, sieht man in einem kurzen dokumentarischen Ausschnitt. Hopkins spielt unbeschreiblich die Ergriffenheit, als er vielen der geretteten Kinder als Erwachsenen bei einer Fernsehshow gegenüberstand. Im Nachspann wird verkündet, dass viele von ihnen auch „original“ im Film zu sehen seien…

Hier wird man nicht mit belehrendem, triefendem Gutmenschentum beglückt. Hier wird einfach gezeigt, was ein einzelner Mensch erreichen kann, wenn er es nur will. Seine Schlußfolgerungen kann jeder selbst ziehen. Oder, wie Erich Kästner gesagt hat: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Renate Wagner   

 

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