Filmstart: 21. Jänner 2022
NIGHTMARE ALLEY
USA / 2021
Regie: Guillermo del Toro
Bradley Cooper, Cate Blanchett, Toni Collette, Rooney Mara u.a.
Zu Beginn fackelt ein Mann ein Haus ab, dann macht er sich auf die Reise. Wohin? Weiß er wohl selbst nicht. Als bei einer Station sein Blick auf einen großen Jahrmarkt fällt, steigt er aus. Und es besteht kein Zweifel, dass Stan Carlisle, so wie Bradley Cooper ihn spielt, genau die halbseidene, unbehauste Seele ist, die in diese Welt passt. Und weil er gar nichts dagegen hat, sein Geld auf schmutzige Art zu verdienen, fügt er sich mühelos hier ein.
Das ist der erste Teil des jüngsten Films von Regisseur Guillermo del Toro, der zuletzt genügend Leute mit seinem irreallen Sci-Fi-Mix vom Wassertier-Menschen „Shape of Water“ überzeugt hat, um einen „Oscar“ heimzutragen (es gibt aber auch Leute, die er mit diesem triefenden Märchen schlicht genervt hat). Diesmal ist er der Realität näher, obwohl er mit „Zauberei“ spielt – vielmehr mit dem Betrug um Zauberei, denn das steckt ja immer dahinter.
Während del Toro die trügerische Schaubuden-Welt und ihre Bewohner mit düsteren, aber nichtsdestoweniger auch reizvollen Farben malt, kristallisiert sich heraus, worum es eigentlich geht. Da agiert Pete Krumbein (schön unheimlich: David Strathairn) als Magier und Hellseher, der das Publikum nicht genug damit verblüffen kann, was er über die Unbekannten weiß, die ihm da in der Arena ihre Fragen stellen. Im Hintergrund agiert herrlich abgerissen Toni Collette als seine Frau Zeena Krumbein als die souveräne Trickserin der armen Opfer. („Die Menschen wünschen sich so sehnlich, dass man ihnen sagt, wer sie sind!“) Und man wittert schon, worum es geht – sobald es Stan gelingt, besagten Tricks auf die Spur zu kommen, wird er sie anwenden. Aber nicht hier und jetzt, im Untergrund, sondern in weit größerem Stil… Dann schnappt er Molly Cahill (Rooney Mara) und ist schon weg.
Der gewaltige Schnitt zum zweiten Teil muss Jahre umfassen, und er hat einen entscheidenden Fehler: Denn wenn man Stan und Molly nun als Glitzerpaar der Entertainment-Szene der eleganten Welt sieht, wo sie ihre Kunststücke um tausendfach höheren Lohn verkaufen, hat man keine Ahnung, wie sie das geschafft haben. Sie sind einfach da, und ein paar Hinweise für diesen sensationellen Aufstieg hätte man sich schon gewünscht…
Immerhin, der Kontrast der Welten wirkt, und Stan ist es gelungen, als „The Great Stanton“ der Welt vorzuspielen, er besäße tatsächlich übernatürliche Kräfte. Optisch machen das nunmehrige mondäne Ambiente und die mehr und mehr in den fatal-mörderischen Krimi rutschende Handlung klar, dass del Toro hier einen klassischen „Film Noir“ neu erfinden wollte – dazu benötigt man nur noch die Blondine mit dem gewellten Haar, der rätselhaften Ausstrahlung und dem Flair der Gefährlichkeit.
Auftritt Cate Blanchett als Psychiaterin Dr. Lilith Ritter, und wo man sie sieht, ist man wie mit einem Pawlow’schen Reflex geneigt „Meisterleistung!“ zu rufen, wenn sie auch bei näherem Hinsehen nur ein Klischee abzieht. Immerhin, man glaubt ihr, dass sie gefährlich ist wie eine Klapperschlange. und auch skrupellos imm Ausnützen dessen, was man ihr im Vertrauen auf ärztliche Schweigepflicht anvertraut hat… Natürlich glaubt sie nicht eine Sekunde an Stans Fähigkeiten, aber die beiden können sich ein richtig schönes Kino-Duell liefern…
Und wenn sie sich zusammen tun (denn es geht natürlich nur ums Geld und um die Gier, noch und noch davon zu bekommen), den Tycoon Ezra Grindle (Richard Jenkins) auszunehmen, dann greifen Film und Regisseur (nach dem zugrunde liegenden Roman „Der Scharlatan“ von William Lindsay Gresham) ihrerseits in die Trickkiste, so dass Stab… aber das darf man nun doch nicht verraten.
Nur eines: überraschend ist das Ende nicht. Und Guillermo del Toro hat einen Film gedreht, wo er das Publikum nicht mit Amphibien-Geschöpfen quält, sondern vielmehr echte Menschen mit all ihrer Schlechtheit auf die Leinwand los lässt. Eine Alptraumgeschichte mit Unterhaltungspotential, die sich ein bisschen tiefgründig gibt.
Renate Wagner