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Film: MÜNTER & KANDINSKY

Künstler-Querelen

15.05.2025 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 16. Mai 2025 
MÜNTER & KANDINSKY
Deutschland  /  2024
Regie: Marcus O. Rosenmüller
Mit: Vanessa Loibl, Vladimir Burlakov u,a,

 Künstler-Querelen

Paar-Beziehungen zwischen Künstlern gab es in der Geschichte viele, die wenigsten gingen gut aus (Maria Lassnig und Arnulf Rainer mochten einander später auch nicht mehr so sehr). Gabriele Münter (1877-1962) war eine absolut bedeutende deutsche Malerin, und es geht die Mär, dass sie erst so spät (nämlich in unseren Tagen) entdeckt wurde, weil ihr Liebhaber, immerhin der große Wassily Kandinsky (1866-1944), sie und ihr Werk quasi verdunkelte. Was gut möglich ist. Eine Münter-Ausstellung im Leopold Museum 2023 hat ihr Leben und Schaffen umfassend dokumentiert.

Gabriele Münter ist auch die Hauptfigur in dem – laut Titel – Doppel-Bio-Pic, das Marcus O. Rosenmüller ihr mit Schwerpunkt auf ihre Beziehung zu Kandinsky widmet. Man kennt den Regisseur zwar vor allem als kundigen Präsentator von Fernsehunterhaltung, aber er hat beispielsweise 2011 einen wirklich schönen Spielfilm über Emanuel Schikander gedreht („Sommer der Gaukler“) und dabei Qualitäten bewiesen, die er hier wieder zeigt – genaue historische Recherche, Eintauchen in eine andere Epoche (sowohl optisch wie im Verständnis für den Zeitgeist), ausgewogene Darstellung.

Denn wenn in der Beziehung Münter / Kandnsky die Frau – wie millionenfach auf dieser Welt – die Unterlegene war und der Mann sich – wie millionenfach auf dieser Welt – alles andere als anständig benommen hat, so macht der Film klar, dass sich da zwei starke Persönlichkeiten in keiner Weise etwas schuldig blieben und dass die Münter durchaus keine angenehme Weibchen-Gefährtin war. Wie weit man Gabriele Münter als Kandinskys „Opfer“ betrachten kann, liegt im Auge des Betrachters. – von larmoyantem Opfer-Getue ist der Film weit entfernt. Dass sie es als Frau schwer hatte und er zwischen Förderung und Unterdrückung ihres Talents schwankte, wird dabei durchaus heraus gearbeitet.

Nachzuzeichnen ist eine Geschichte in Deutschland zwischen der vorigen Jahrhundertwende bis in die Nationalsozialistische Zeit. Kurz nach 1900 begegnete Gabriele Münter, damals noch Tochter aus wohlhabendem Haus, die sich in München Malunterricht leisten konnte, dem um zwölf Jahre älteren Russen Wassily Kandinsky, der froh war, sich hier als Lehrer seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die beiden werden ein Paar, ungeachtet dessen, dass er in Rußland verheiratet ist (Münter aber dauernd Scheidung und Ehe verspricht). In der damaligen Zeit diese „freie“ Beziehung einzugehen, stellte sie durchaus an den Rand der Gesellschaft.

München war damals ein Kunstzentrum erster Ordnung, und das malende Münter / Kandinsky-Paar zählten zu jenen, die sich von der klassischen Formensprache gelöst hatten und Werke kreierten, die für das normale Publikum die reine Provokation darstellten (was in einer Szene in einer Ausstellung, wo „Volkes Stimme“ protestiert, schön gezeigt wird). Der Regisseur vergißt nicht darauf, neben der schwankenden privaten Beziehung auch das zu schildern, was ein Stück Kunstgeschichte ist – die Gründung der Malervereinigung „Der blaue Reiter“ 1911 gemeinsam mit Gesinnungsgenossen (vor allem Franz Marc), aber auch die  Spannungen, die es in der Gruppe gab, die sich vielfach in dem von Gabriele Münter gekauften Haus in Murnau am Staffelsee trafen, das die Dorfbewohner „das Russenhaus“ nannten, weil sich so viele russische Freunde dort einfanden (heute ist es ein Münter-Museum).

Der Erste Weltkrieg, wo Deutschland und Rußland auf verschiedenen Seiten standen, trennte nach 13 gemeinsamen Jahren das Paar, das (trotz einer Begegnung in Skandinavien) nie wieder zusammen fand. Von da an herrschte nur noch böses Blut zwischen den beiden, als Kandinsky seine Bilder und Materialien verlangte, die in Murnau zurück geblieben waren, Münter sie aber (Kandinsky hatte übrigens wieder geheiratet…) nicht herausgab.

Immerhin hat sie seine Werke, die von den Nazis als „entartet“ eingestuft worden wären, nachweislich vor diesen versteckt – mit einer solchen Szene der Hausdurchsuchung im Zweiten Weltkrieg beginnt der Film, der sich später in Rückblenden bewegt (und dann doch etwas auslässt, etwa, dass Gabriele Münter keine einsame alte Frau war, sondern längst einen weiteren, wichtigen und treuen Lebensgefährten gefunden hatte).

Rosenmüller hat mit Vanessa Loibl und Vladimir Burlakov auf zwei zwar nicht unerfahrene, aber noch nicht populäre Darsteller gesetzt, die für den Zuschauer völlig überzeugend mit ihren Figuren verschmelzen. Sie stehen in einem Film, der prachtvolle Bilder der Natur, ihre Kunst (die farbigen, formal herausfordernden Bilder) und Zeitgeschehen (Rivalitäten in Künstlerkreisen, Schwierigkeiten, sich in der Kunstwelt durchzusetzen) äußerst kompetent verbindet, also mehr erzählt als nur eine Liebesgeschichte.

Renate Wagner  

 

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