Filmstart: 23. Oktober 2020
MRS. TAYLOR’S SINGING CLUB
Military Wives / GB / 2019
Regie: Peter Cattaneo
Mit: Kristin Scott Thomas, Sharon Horgan, Greg Wise u.a.
Keine vernünftige Frau würde diese Damen beneiden. Ihre Männer sind britische Berufssoldaten, die immer wieder an die Krisenherde der Welt geschickt werden. Afghanistan, nicht gerade ein Spaziergang, es gibt keine Garantie, auch gesund wieder zu kehren. Es geht um „Military Wives“, wie der englische Titel sagt, während man auf Deutsch versucht, der Geschichte ihre Bitterkeit zu nehmen und den Film „Mrs. Taylor’s Singing Club“ nennt. Denn was machen Frauen in der Abwesenheit ihrer Männer, Frauen, die da in dem Militär-Stützpunkt eng zusammen gepfercht leben, eine Gesellschaft, die sich um sich selbst dreht und deren Schicksal darin besteht, angstvoll zu warten…
Regisseur Peter Cattaneo bringt auf die Leinwand, was die Briten als „Wohlfühl-Film“ verfälschen und ein „Comedy Drama“ nennen, was weder das eine noch das andere ist. Bestenfalls zum x-ten Mal die Geschichte eines Laienchores, der dann am Ende sogar bei einem großen Wettbewerb landet – wir sind in England, also findet dieser in der Royal Albert Hall in London statt… Und irgendwie wird die einigende, tröstende Kraft der Musik beschworen, was nicht mehr als ein Klischee ist.
Kate, glücklicherweise gespielt von der großartigen Kristin Scott Thomas, die schon manchen Film allein auf den Schultern getragen hat, ist die Frau des „Colonel“, also des Obersten, der Gatte also der Ranghöchste, folglich nimmt sie ganz selbstverständlich an, dass die Verantwortung, die Schar der allein gelassenen Frauen irgendwie zu beschäftigen, auf ihr liegt. Dass ein Hauch Upper-Class-Hochmut um sie weht, samt einer gewissen Gönnerhaftigkeit – das gehört zur Figur.
Es gibt einige Szenen, die unter die Haut gehen. Wenn die Damen überlegen, was man kollektiv unternehmen könnte, Handarbeiten, irgendwelche exotische Rezepte kochen, Kinoabende, ja, sogar für die Armen sammeln – was einem halt so einfällt, wenn man nicht weiß, was man mit seiner Zeit anfangen soll. Weil es doch wichtig ist, „to keep busy“. Da hebt eine von ihnen den Kopf und fragt die anderen angesichts des ziellosen Geplapperes: Wie haltet ihr das nur aus? Immer die Angst, dass das Telefon läutet und eine sehr, sehr schlimme Nachricht kommt?
Und Kate steht dann auch im Lauf der Handlung am Krankenbett ihres schwer verletzten Mannes. Und man versteht, dass sie nicht vor Mitleid zerfließt, sondern dass sie ihn anschnauzt, was er ihr antut – jeder erwartet von ihr die tapfere Haltung der Soldatenfrau, die ihre Emotionen bändigt und formvollendet fragt: „Eigentlich hat mein Mann ein Schrapnell im Kopf, aber wollen Sie noch eine Tasse Tee?“ Es ist ein unendlich nobler Verzweiflungsausbruch, den Kristin Scott Thomas als darstellerisches Gustostück hinlegt.
Das sind auch die Szenen, die man einsieht, die etwas erzählen, aber eigentlich erlebt man einen langen Film hindurch vor allem, wie die Damen unter Kates Leitung versuchen, mit sehr unterschiedlichem Talent und lange Zeit für den Kinobesucher ohrenquälend – Chor zu singen. Sicher, im Alltag spricht man nachts mit den Männern per Skype. Schreibt Mails. Auch hat man schließlich Kinder, Macht einen Ausflug (hier bei strömendem Regen). Wenn es das Ziel des Films gewesen sein soll, den nervtötenden Soldatenfrauen-Alltag zu zeigen… ja, das ist es. Ist das ein Film?
Daneben gibt es noch die üblichen Querelen von Frauen unter sich, Lisa (Sharon Horgan), auch eine Führungsperson, fühlt sich zurückgedrängt. So dass Kate, die meint, alles so gut in der Hand zu haben, irgendwann erfahren muss, dass die anderen Damen (absolut nicht so großbürgerlich wie sie) sie für eine hochnäsige „Bitch“ halten…
Bis zum Happyend, dem Auftritt in London, hat man es mit einem ziemlich langweiligen und schwerfälligen Film zu tun, aber er ist offenbar als Hohelied auf die Soldatenfrauen gedacht, denn das Ende zeigt, wie viele reale Stützpunkte es gibt, wo offenbar viel gesungen wird. Für Begräbnisse haben sie dann auch das „Ave Maria“ auf dem Repertoire. Und so fehlt es auch nicht an Kitsch.
Renate Wagner