Filmstart: 21. Jänner 2022
MONEYBOYS
Österreich, Taiwan / 2021
Drehbuch und Regie: C.B. Yi
Mit: Kai Ko, Lin Zhengxi, Chloe Maayan, Bai Yufan, Qiheng Sun
Prädikat: Besonders wertvoll
„Ich mache alles, was verlangt wird“, sagt der junge Mann, und er tut auch, was er dem Zuhälter verspricht. Wobei es für Fei (Kai Ko) nicht besonders mit Abscheu verbunden ist, sich als „Moneyboy“, also als Strichjunge, zu verdingen, denn er ist wirklich schwul. Und sieht darin eine Möglichkeit, in der Großstadt Geld zu verdienen, um seine im Dorf lebende Familie finanziell zu unterstützen…
„Moneyboys“ spielt in Südchina, wurde in Taiwan gedreht, da man Filme über das Thema Homosexualität in der Volksrepublik China nicht eben schätzt, und ist auch – zumindest ein Drittel der Finanzierung kam von hier – ein österreichischer Film. Man hat ihn im Vorjahr nach Cannes geschickt, allerdings parallel mit der „Großen Freiheit“, in der es gleichfalls um Homoerotik ging, und dabei geriet der Film von C.B. Yi ins Hintertreffen.
Nun läuft er im regulären Kinoangebot an, wird ein schönes Erlebnis für die „Gay Community“ sein, will aber – obwohl er echte homosexuelle Liebe mit schönen Szenen geradezu ausschweifend preist – mehr. Denn C.B. Yi weiß, wovon er spricht, ist selbst in Südchina aufgewachsen, kam allerdings als Teenager nach Wien, hat auf der Filmakademie bei Michael Haneke studiert und legt nun seinen ersten abendfüllenden Film vor. Der sich nicht nur um das spezifische Problem dreht, sondern auch grundsätzlich um die chinesische Gesellschaft, ob am Land, ob in der Stadt.
Denn ungeachtet des ungeheuren Modernisierungs- und Kapitalismus-Schubs, den China sich gegeben hat, scheint die chinesische Seele, scheinen die darin verankerten Wertvorstellungen ungebrochen. C.B. Yi kennt aus eigener Erfahrung die „Traditionen und Erwartungen“ ,die in seinem Geburtsland herrschen, die Erwartungen der älteren Generation, dass sich die jüngere in ihre Lebensformen einfügt, ohne Veränderungen zu begehren. Ein junger Mann muss heiraten und Kinder zeugen, sonst verliert die Familie ihr Gesicht… und das sagen sie ihm auch beim großen Familienmahl, wenn er einmal heimkommt. Dass das Geld, das er bringt, in ihren Augen schmutzig ist, hindert sie allerdings nicht, es zu nehmen.
Man hätte vermutet, dass an dem Schicksal eines jungen Mannes, der als Moneyboy in die Stadt kommt, die tragische und wohl auch brutale Welt der Sexarbeiter aufgeblättert wird – und dass der Regisseur, der optisch in schönen Bildern schwelgt, das eigentlich nicht tut, hat man ihm vorgeworfen. Gewiss, wenn die Polizei in die Wohnung kommt, behandeln sie die halbnackten Insassen verächtlich, aber sie gehen auch wieder. Es gibt hie und da Gewalt, aber der Film sorgt dafür, dass sie nicht zu weh tut.
Dass Fei, der durchaus wahrer schwuler Liebe und Zärtlichkeit fähig ist, auf die Dauer nicht so leben will – nun, am Ende hat man die Szene in der Disco als eine Art Befreiungsschlag interpretiert (muss aber absolut nicht sein). Und wohin die sanft erzählte Geschichte überhaupt führen kann und soll, bleibt gänzlich offen.
Es gibt viel lyrische europäische Musik, wenn es um Gefühle geht, am Land zwitschern die Vögel, bei C.B. Yi wird Regenwasser, das in Pfützen fällt, zu reiner optischen Poesie, so wie die Kameraschwenks über weites Land. Die Idylle ist immer näher als die Tragödie, die nie Schärfe erhält. Der Film ist zwei Stunden lang und zieht sich ein wenig, ist elegisch, oft traurig, meist langsam. Aber man nimmt an Fe und seinem Schicksal Anteil.
Renate Wagner