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Film: MIDSOMMAR

23.09.2019 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 27. September 2019
MIDSOMMAR
USA, Schweden / 2019
Regie: Ari Aster
Mit: Florence Pugh. Jack Reynor, Will Poulter, William Jackson Harper u.a.

Ein Mittsommernachtsfest in Schweden, irgendwo einsam in der Landschaft, das stellt man sich herrlich vor – schlimmstenfalls mit zu viel Alkohol verbunden. Und Sex, na, vielleicht auch… Ein solches Angebot lehnen junge Amerikaner nicht ab, wenn es von einem schwedischen Uni-Kommilitonen kommt. Und so beginnt, was dann in diesem UA / schwedischen „Midsommar“-Film von Ari Aster (der sich seine ersten Horror-Sporen mit „Hereditary“ verdient hat) nach eigenem Drehbuch zu einer knapp zweieinhalbstündigen Vision des Schreckens wird, die mit den prächtigen Bildern konkurriert, die man zwischendurch geboten bekommt.

Ganz harmlos beginnt es übrigens schon in Amerika nicht: Dani (Florence Pugh, sie ist als jugendliche Lady Macbeth filmbekannt geworden und kann auch hier einiges zeigen) hat ihre Eltern verloren, Christian (Jack Reynor) erweist sich nicht eben als das einfühlsamste und rücksichtsvollste Exemplar eines Freundes, aber er ist dann bereit, sie nach Schweden mitzunehmen. Ihr schwedischer Freund Pelle (Vilhelm Blomgren) hat sie in sein Heimatdorf eingeladen, wo es angeblich ein prächtiges Sommernachtsfest gibt, Josh (Will Poulter) und Mark (der Afroamerikaner William Jackson Harper) kommen auch mit, und eigentlich herrscht logischerweise nur Vorfreude.

Wie erst, als man in herrlicher Landschaft ankommt (minimalistische Musik wabert dazu) und von freundlichen Menschen in weißen Gewändern mit Blumenmustern empfangen wird, schöne, blonde, nordische Typen mit Kränzen im Haar, die sich feierlich gebärden – schließlich findet dieses besondere Fest nur alle 90 Jahre statt. Das Ganze wirkt eine Spur hippieartig, aber dergleichen ist ja nicht wirklich fremd.

Wahrscheinlich soll und darf der Kinobesucher etwas schneller darauf kommen, was da los ist, wozu die Gäste hergebracht wurden, denn was langsam als „seltsame“ Rituale befremdet und eindeutig pseudoreligiösen Charakter aufweist, geht schrittweise auf dumpfe nordische Bräuche zu, die Menschenopfer fordern – was übrigens von den Einheimischen mit gelassener Selbstverständlichkeit exekutiert wird.

Landschaft, Folklore, alles verwandelt sich nicht sichtbar und doch unter dem Wissen, das sich für die jungen Amerikaner (und den Kinobesucher) akkumuliert. Dass anfangs nur ein bisschen Blut (sich in die Hände schneiden) fließt, kann man ja vielleicht noch einsehen, aber wenn sich dann jemand bewusst zu Tode stürzt, wird es schon bedenklich. Auch wenn die Gastgeber noch von „great joy“ reden…

Pelle kommt in Erklärungsnot, Dani will abreisen, aber es ist schon klar, dass es kein Entkommen gibt: Die Amerikaner sind von ihm als Blutopfer hierher gebracht worden. Man erlebt die Ratlosigkeit von Stadtmenschen angesichts einer Kultur, die sich als mehr und mehr heidnisch, blutrünstig und ihren Opfern gegenüber diktatorisch entpuppt.

Nicht alles, was man in dem Film sieht, erklärt sich, viel Traumspielhaftes hat wohl mit den Drogen zu tun, die hier dabei sind. Es gibt viel Musik, die Stimmung wird immer bedrohlicher, skandinavische Nacktheit ist ein Bestandteil des Ganzen … und das Ende will man nicht erzählen, aber man kann es sich grundsätzlich vorstellen. Wenn auch nicht in den vielen seltsamen, grausigen Varianten, die dieser nordische Horror eines amerikanischen Regisseurs bietet. Ein Film, dessen äußere Schönheit seiner Grausamkeit, die zum Himmel heult, hohnlacht… Regisseur Ari Aster arbeitete sich in den US-Medien mit diesem Film jedenfalls auf den neuen „King of Horror“ zu.

Renate Wagner

 

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