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Film: MEIN VATER, DER FÜRST

07.09.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 9.September 2022  
MEIN VATER, DER FÜRST
Regie: Lila Morgan-Schwarzenberg, Lukas Sturm
Österreich  /  2022 
Dokumentarfilme

Fürst Karl Schwarzenberg wurde 1937 in Prag geboren, heute repräsentiert der 85jährige als „Chef“ der Familie alle Zweige der Schwarzenbergs, und er ist überdies ein Mann, der an der Geschichte der Tschechoslowakei, seiner unmittelbaren Heimat, mitgeschrieben hat. Zu den zahlreichen Besitzungen und Schlössern der Schwarzenbergs zählen auch das Palais am gleichnamigen Wiener Platz (und ein Ahnherr reitet dort als Denkmal), sowie Besitzungen in der Steiermark und Böhmen, die nach manchen Wendungen der Geschichte wieder an die Familie zurück gekomment sind.

Ein bedeutender Mann, der einen Sohn, eine Tochter und einen Ziehsohn hat. Und wenn diese Tochter, die nunmehr über 5ojährige Anna Carolina, hier Lila Morgan-Schwarzenberg, geschieden von dem prominenten amerikanischen Drehbuchautor Peter Morgan und selbst Filmemacherin, daran ging, zusammen mit Lukas Sturm einen Dokumentarfilm über ihren Vater zu drehen (an dem sie übrigens fünfeinhalb Jahre gearbeitet hat) – dann fällt das seltsam aus. Eher wie eine Selbstanalyse der Tochter als wie ein Porträt des bedeutenden Vaters.

Sicher, ihre Komplexe hat sie von Kindheit an mitbekommen – das Gefühl, innerhalb einer Adelfamilie als Tochter weniger wert zu sein als der Bruder. Und der Vater war halt kein Kuschel-Papa wie in schlechten amerikanischen Filmen und Fernsehserien, sondern immer sehr beschäftigt, distanziert und wohl auch streng.

Dergleichen jetzt vor der Filmkamera zu verarbeiten – nun, es gibt immer noch Leute, die die Karlich-Schau nicht ansehen können, weil es ihnen schlechtweg peinlich ist, wenn Menschen ihr Privatestes vor einer gierigen Öffentlichkeit breittreten. Und genau dieser Effekt stellt sich hier ein. Immer wieder ist Frau Schwarzenberg selbst im Bild, reflektiert über sich, schickt dem Vater Anklagen entgegen. Schade, dass sie so sehr ein Kind der exhibitionistischen Social Media-Zeit ist und sich nicht an der einzig möglichen Haltung orientiert: Never complain.

Der alte Herr (der weit weniger zu Wort kommt als die Tochter) sitzt da, mit übermächtiger Geduld und Freundlichkeit, ein Bild von Noblesse, „Adel“, wie er im besten Fall im Buche steht. Einer, der seine Herkunft nicht als das Privileg betrachtet hat, das Geld der Familie in Playboy-Manier zu verjuxen, sondern einer, der immer die Verantwortung seiner besonderen Stellung gesehen hat. Der meinte, ein Leben müsse auch etwas bedeuten. Was er ja geschafft hat.

Wobei die Tochter an dem bedeutenden Politiker weniger interessiert ist als an der Familiengeschichte, die für den böhmischen Adel (wie für alle anderen Menschen auch) im 20. Jahrhundert viele Härten mit sich gebracht hat. Sie gräbt auch Peinliches aus, wobei es Karl Schwarzenberg zur Ehre gereicht, dass er den außerehelichen Sohn, den ihm seine Gattin gebar, wohl liebevoller behandelt hat als seine anderen Kinder, um ein unschuldiges Geschöpf nichts entgelten zu lassen. Dabei ist und war ihm die Familie im engeren und weiteren Sinn wichtig, wenn das auch nicht mit triefender Freundlichkeit Hand in Hand geht – den Attacken der Tochter begegnet er jedenfalls mit nobler Engelsgeduld.

Was weiß man am Ende von dem alten Mann, der hier vielleicht eine „Schuld“ abträgt, weil er weiß, dass Lila Morgan-Schwarzenberg nie mehr Beachtung finden wird als mit diesem Film über den prominenten Vater? Dass man diesem klugen und weisen alten Mann bewundernd begegnen konnte, ist Verdienst der Tochter – dass man ihre Probleme mitgeliefert bekam, ist die eher verzichtbare Draufgabe.

Renate Wagner

 

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