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Film: MARIA STUART, KÖNIGIN VON SCHOTTLAND

15.01.2019 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 17. Januar 2019
MARIA STUART, KÖNIGIN VON SCHOTTLAND
Mary Queen of Scots / GB / 2018
Regie: Josie Rourke
Mit: Saoirse Ronan, Margot Robbie, David Tennant, Jack Lowden, Martin Compston u.a.

Alles, was mit der Schottenkönigin Maria Stuart zu tun hat, ist immer eine spannende Sache, denn die Dame hatte wahrlich ein Schicksal. Eine Königin, die ihrem Rang Ehre machte, die – wenn auch vergeblich – versuchte, kein Spielball einer intriganten Männerwelt zu sein, und die letztendlich an einer Frau (und an weiblicher Eifersucht) letal scheiterte… Das war Maria Stuart (1542-1567) gegen die um neun Jahre ältere Königin Elizabeth I. von England (1533-1603), zwei Frauen, die einander im gnadenlosen Machtkampf zur Nemesis wurden.

Hierzulande ist uns Maria Stuart doppelt vertraut, durch Friedrich Schillers geniales Theaterstück (das allerdings nur die Zeit ihrer Gefangenschaft in England behandelt) und durch die Biographie von Stefan Zweig. Und wen es interessiert hat, der konnte zu Maria und Elizabeth auch eine Menge interessanter Bücher darüber hinaus finden.

Darum weiß man auch, was an dem derzeitigen „Maria Stuart“-Film historisch alles falsch ist – eine Menge nämlich. Erstaunlich, dass sich der Drehbuchautor an eine Biographie von John Guy gehalten haben will, denn der gilt doch in England als solider Historiker und sollte doch einiges besser wissen, als es auf der Leinwand erscheint. Da Drehbuchautor Beau Willimon fest an „House of Cards“ mitgeschrieben hat, nannte man diesen Film schnell ein „House of Cards aus dem 16. Jahrhundert“. Ist es nicht, dafür ist es nicht spannend genug, dafür sind die politischen Verwicklungen viel zu – verwickelt ausgefallen, statt dem Zuschauer den Ritt durch die Geschichte etwas verständlicher zu machen.

Freilich, dass Maria Stuart und Elizabeth einander in diesem Film einmal treffen, kann man der Sache nicht verübeln – selbst Schiller bediente sich dieses Kunstgriffs, obwohl er als ausgewiesener und exakter Historiker wusste, dass die Damen einander nie begegnet sind. Aber man kann sie dann so schön auf einander prallen lassen – Maria Stuart, die „legitime“ Herrscherin, die sich Elizabeth, dem „Bastard“ aus der zweiten Ehe von Heinrich VIII. mit Anne Boleyn, stets überlegen fühlte und nie den Anspruch auf den englischen Thron aufgab. (Historisch interessant, wenn auch hier nicht ausgeführt, dass Marias Sohn, den man im Film nur als Baby und Kleinkind kennenlernt, später tatsächlich König von Schottland und von England in Personalunion wurde – und die hingerichtete Mutter friedlich neben Elizabeth I. in der Westminster Abbey beisetzen ließ…)

Was an diesem Film sicherlich nicht stimmt (neben „Kleinigkeiten“, dass Marias Gatte, Lord Darnley, sicher kein Verhältnis mit ihrem Musiker Rizzio hatte – das taucht nirgends in der Literatur auf), ist das Bild, das von Maria Stuarts Rivalin Elizabeth I. gezeichnet wird. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Elizabeth – nach einer Kindheit in Unsicherheit und steter Lebensgefahr – zu einer eisenharten Frau und Herrscherin ohne sentimentale Regungen wurde. Im Film begegnet sie uns die längste Zeit butterweich, sogar etwas wie weibliche Solidarität für Maria bekundend – ja, es ist ein Frauenfilm, von Josie Rourke gedreht, eine Regisseurin, die „Frau gegen Männerwelt“ sowohl in London wie in Edinburgh stets in den Mittelpunkt der Betrachtungen stellt. Dennoch – eine Elisabeth, die lieber Blumenteppiche stickte und applizierte, statt sich in den Staatsrat zu begeben, ist so unglaubwürdig wie sie nur sein kann. Erst gegen Ende, wenn die Verurteilung Marias im Film ganz überhaps schnell kommt, darf Margot Robbie ihr hartes Gesicht, das an sich perfekt zur Figur passt, in jenes gnadenlose der englischen Königin verwandeln, das wohl das richtige war… und die Jüngere, Schönere, mehrfach Verheiratete, Mutter eines Sohnes (alles, was Elizabeth nicht hatte) ohne weitere politische Notwendigkeit hinrichten ließ.

Aber es geht ja um Maria Stuart, und der Film beginnt mit der Hinrichtung, um ganz schnell auf einen vernünftigen Anfang zurück zu blenden: Als Maria Stuart als 18jähriges Mädchen und verwitwete Königin von Frankreich (sie war mit einem der vielen Söhne der Katharina von Medici verheiratet gewesen) nach Schottland zurückkehrt, um ihren schottischen Thron zu besteigen. Sie landet an der wilden Küste mit ihren vier französischen Gefährtinnen (die „vier Marys“, wie sie genannt wurden), die ihr stets treu ergeben waren, und Saoirse Ronan zeigt das intelligente, junge Gesicht eines Geschöpfs, das nicht weiß, was auf sie zukommt, die aber entschlossen ist, ihr königliches Schicksal zu meistern. Und wie diese Schauspielerin die 27 weiteren Jahre bis zu ihrem Tod entwickelt, das stellt sie unter den „Oscar“-Anwärterinnen (und heuer gibt es so besonders viele exzellente Leistungen!) in die vorderste Reihe.

Sie war eine Frau unter Männern, die nur von ihrem Rang und Titel abgehalten wurden, sie in Stücke zu reißen. Sie war eine Katholikin in einem Land, das einen starken, von ihr tolerierten Anteil an Protestanten hatte – ihr Hauptgegner, der Prediger John Knox (David Tennant) bekommt wenige, aber nachdrückliche Auftritte. Und sie war jene „legitime“ Fürstin, die in den Augen der Katholiken den Anspruch auf Englands Thron hatte, was Elizabeth I. begreiflicherweise stark beunruhigte. Die Briefe der „Schwestern“, die hin und her gingen, waren von gezielter Doppeldeutigkeit.

Da gibt es viel zu erzählen, und das Meiste ist tragisch. Das Privatleben, wo sie (verführt von Erotik und einem hübschen Gesicht) den falschen Mann wählte (Jack Lowden als Lord Darnley ist der überzeugende Schwächling und Hurenbock, der er wohl wirklich war). Als der Gatte sich an der Ermordung des von ihr so geschätzten Sängers Rizzio (Ismael Cruz Cordova) beteiligte, wurde auch Darnley ermordet – die Historie spricht Maria Stuart Mitwissen zu, hier ist sie unschuldig, hier hasst sie den aufgezwungenen dritten Gatten und Mörder des zweiten, den Earl of Bothwell (Martin Compston) – manche Biographen sind davon nicht überzeugt.

Parallel läuft die Politik, Katholiken gegen Protestanten, immer wieder heimliche Interventionen, und wenn der Botschafter von Elizabeth I. immer wieder in Schottland auftaucht, dann ist dieser George Dalgleish in Gestalt von Adrian Derrick-Palmer ein Puerto Rico geborener Farbiger, was natürlich bedeutet, die Historie zugunsten unserer politischen Korrektheit schwer zu verfälschen – was uns nicht passt, wird passend gemacht, ob es stimmt oder nicht, spielt keine Rolle. Dass er seinen Part ausgezeichnet verkörpert, steht da auf einem anderen Blatt, es geht um die totale Verblendung gegenwärtiger Standpunkte, die einfach auch die Vergangenheit ändern – wir wollen es so, punktum.

Die politischen Kämpfe und Verstrickungen, wobei der Film oft wild zwischen den beiden Höfen herumspringt, sind dem Drehbuch am wenigsten gelungen, das auch die 16 Jahre Gefangenschaft der Schottenkönigin in England gänzlich ausspart. Aber die Geschichte der Maria Stuart als Frau, als Persönlichkeit, als Spielball der Politik umso mehr – und ja, ungeachtet von Meisterleistungen von Glenn Close („Die Frau des Schrifstellers“), Julia Roberts („Ben is Back“), Olivia Colman („The Favourite“) und wer noch immer zur Wahl steht: Man wäre sehr enttäuscht, wenn Saoirse Ronan, die Irin, die so perfekt die Schottin spielte, den „Oscar“ nicht bekäme.

Renate Wagner

 

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