Film: MARIA REICHE: DAS GEHEIMNIS DER NAZCA-LINIEN
Lady Nazca / Deutschland, Frankreich, Schweiz / 2025
Drehbuch und Regie: Damien Dorsaz
Mit: Devrim Lingnau u.a.
Weltwunder – undramatisch
Wer je das Glück hatte, in Nazca in ein Kleinflugzeug zu steigen, wie man es für Touristen bereit hält, erlebte ein Wunder: Denn die berühmten Scharrbilder von Nazca sind nur aus der Luft in ihrer ganzen phantastischen Schönheit und Sonderbarkeit erkennbar – geometrische Formen, „Tiere“, Labyrinthe, schier endlose Linien – Rätsel, die bis heute nicht gelöst sind. Erich von Däniken schrieb sie „Außerirdischen“ zu, denn Kunstwerke, die in ihrer Gänze nur von oben zu erkennen sind, mussten ja von den „Göttern“ stammen und Zeichen ins All schicken – und wer die tatsächlichen Schöpfer waren, ist ungewiß. Und wenn es die Menschen der „Kultur von Nauca“ waren – wie haben sie es gemacht, was wollten sie damit?
Wer zudem das Glück hatte, Peru und Nazca noch in den Neunziger Jahren zu besuchen, der konnte abends im Hotel einem Vortrag der uralten Maria Reiche (1903-1998) beiwohnen, knochig, mit langem weißem Haar, aber ungebrochen darin, von der Leistung ihres Lebens zu erzählen… Denn dass die Welt die Linien von Nazca überhaupt kennt, ist nur ihr zu verdanken..
Und das erzählt jetzt der deutsch / französisch / schweizerische Spielfilm „Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien“, und man wünschte nur, er täte es etwas spannender… Zumindest ist man in den Originalsprachen unterwegs. Als man Maria Reiche zuerst begegnet, einer gebürtigen Deutschen, die als Lehrerin in Perus Hauptstadt Lima arbeitet (wie sie hierher kam, wird nicht erklärt), spricht sie Spanisch. Mit ihrer lesbischen Geliebten Englisch. Und als ein französischer Archäologe auf sie zukommt, ist ihr Französisch perfekt. Nur Deutsch hört man nie – die sprachbegabte Hauptdarstellerin Devrim Lingnau ist übrigens Deutsch-Türkin und sieht hier gar nicht so aus wie die Netflix-Kaiserin Elisabeth, die sie auch verkörpert hat. Tatsächlich macht sie den Eindruck einer trockenen, aber verbissenen deutschen Wissenschaftlerin, was Maria Reiche wohl auch war, die ihr ganzes Leben den Nazca-Linien widmete.
Die französischen Wissenschaftler, die sie – wie man meinte, nur kurzfristig – in die Wüste holten, wollten von ihr nur Übersetzungen auf der Suche nach Kanalsystemen. Maria Reiche hingegen entdeckte riesige Scharrlinien im Boden, großteils verweht, deren Form und Sinn für niemanden erkennbar waren – und die niemanden interessierten. Jedenfalls nicht die Franzosen. Nur Maria Reiche.
Tatsächlich hat sie ihr ganzes Berufsleben in Lima hinter sich gelassen, zog in die Wüste – und hat sie nie wieder verlassen. Die restlichen Jahrzehnte ihres Daseins bestanden daraus, die Scharrlinien (Geoglyphen) frei zu legen, Formen zu erkennen, zu dokumentieren und die Mitwelt zu überzeugen, dass man es tatsächlich mit einer Art Weltwunder zu tun hatte.
Da gab es Schwierigkeiten, weniger mit den indigenen Bewohnern dort als mit den Behörden, aber so großartig diese Leistung ist – Dramatik für einen Film hat sie nicht (auch nicht in den wenigen Privatszenen, wo ihre Geliebte versucht, sich ihr bei der Arbeit anzuschließen, aber das Leben in der Wüste und im Sand nicht durchhält).
Der Schweizer Schauspieler Damien Dorsaz hat hier seinen ersten Spielfilm (auch gleich mit seinem eigenen Drehbuch) vorgelegt. Allerdings ist ihm kein Film gelungen, der das Sensationelle dieses Lebens (und auch nicht das der Linien) dem Kinobesucher wirklich nahe brächte. Nun war es vermutlich nicht sehr spannend, sondern nur anstrengend, lebenslang im Sand zu kratzen – aber etwas mehr an innerer und äußerer Dramatik hätte man wohl heraus holen können. Schließlich ist das, was man Maria Reiche verdankt, heute UNESCO-Welterbe und, wie erwähnt, für jeden, der es live erleben darf, ein unvergeßlicher Eindruck.
Immerhin, es ist das würdige Denkmal für eine großartige Frau, die keine „Abenteurerin“ im klassischen Sinn war, aber zumindest eine im besten Sinn Besessene – was man auch nicht so recht vermittelt bekommt…
Renate Wagner