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Film: MACBETH

26.12.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart:  25. Dezember 2021 
MACBETH
The Tragedy of Macbeth  /  USA  /  2021 
Drehbuch nach Shakespeare und Regie: Joel Coen
Mit: Denzel Washington, Frances McDormand, Bertie Carvel, Brendan Gleeson u.a.

Blickt man zuerst ein wenig hinter die Kulissen, so fällt auf, dass innerhalb kürzester Zeit zweimal ein „Brüder“ (bzw. Schwestern)-Team zerbrochen ist, das „unteilbar“ schien. Für Matrix 4 ist nur eine der nunmehrigen Wachowski-Schwestern, nämlich Lana, tätig geworden, und auch die ewigen Coen-Brothers, die u.a. für den Welterfolg „Fargo“ und vieles mehr verantwortlich waren, gibt es nicht mehr. Zumindest nicht für die Verfilmung von Shakespeares „Macbeth“. Ethan, der jüngere Bruder, hatte – wie es heißt –  keine Lust. Also realisierte Joel Coen, der Ältere (67), das Projekt allein. Möglicherweise war die Tatsache, dass er seine Ehefrau Frances McDormand für eine interessante Besetzung der Lady hielt, für ihn ein Antrieb. Dass ihn das Stück inspiriert hat, tut seine Version jedenfalls sehr überzeugend kund.

Zuerst interessiert, dann fasziniert die optische Vorgabe, die er sich gesetzt hat – ein Film in Schwarz-Weiß, was heutzutage nur noch selten unternommen wird. Ein Werk, das schon bei Shakespeare „zwischen den Welten“ spielt (man denke an die Hexen), bekommt hier einen vagen, unsicheren Umriß, viel Weiß, Nebel, Unschärfe, Silhouetten, extreme Kamera-Perspektiven, irreale Überblendungen. Frühe deutsche Stummfilme lassen ebenso grüßen wie der Film Noir. Dazu kommt der besonders hohe Anteil der Musik von Carter Burwell, die die Mystik ebenso unterstreicht wie die brodelnde Dramatik, also an der Atmosphäre des Ganzen entscheidend mitwirkt.

Aber Joel Coen liefert wahrlich nicht nur eine eklektizistisch-formalistische Spielerei, es geht ihm um das Stück, um die Hauptpersonen, aber auch um die „reale“ Handlung, die sich rundum abspielt – und um Hexen, die wirklich solche sind, die knurren und keuchen, dass es schauriger nicht sein kann (drei Hexen in einer: Kathryn Hunter).

Kurz, es ist alles andere als eine Haupt- und Staatsaktion, die man hier sieht, sondern ein Psychothriller, eine Horrorgeschichte, im Grunde genau das, was Shakespeare geschrieben hat. Der übrigens auch – dabei ist man in einem amerikanischen Film – exzellent gesprochen wird. Da bedeutet Psychologie nicht, die Sprache wegzumurmeln. Nein, alles da.

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Und es könnte nicht besser sein, so wie Joel Coen die Hauptrollen besetzt hat. Denzel Washington mit weißem Haar, das sieht man auch in Schwarz-Weiß ganz klar, liefert die jede Sekunde fesselnde Studie eines älteren, anfangs fast freundlich wirkenden Mannes, den die Voraussagen seiner künftigen Größe verwirren, der sich von seiner Frau in den Mord an dem König treiben lässt und dann versucht, in die Herrscherrolle zu finden, die er selbst nicht gewollt hat, die er aber nun spielen muss – bis zur blutigen Konsequenz eines mörderischen Schwertkampfes zuletzt. Es ist, darstellerisch und sprachlich, eine Leistung von bestrickender Souveränität, abgehoben, irgendwo zwischen Hölle, Wahn und Wirklichkeit, die diesen Schauspieler mehr fordert als die üblichen Action-Rollen, aber auch als die verschiedenen „Charakter“-Leistungen, die er schon gezeigt hat.

Auf den ersten Blick ist die immer unscheinbare Frances McDormand keine faszinierende Frau, keine Lady als äußerlich machtgierige Sexbombe, aber sie manipuliert mit Erotik und Entschlossenheit, zeigt Stärke selbst noch im Wahnsinns, wo ihr das Waschen der „blutigen“ Hände zum heulenden Ausbruch gerät, der durch Mark und Bein dringt. Man hat, auf der Bühne und im Kino, schon manches faszinierende Macbeth-Paar gesehen, aber dieses wird in den vordersten Rängen in Erinnerung bleiben.

Raben kreisten am Anfang, Raben kreischen in Mengen am Ende über die Leinwand und vollenden ein besonderes Filmerlebnis. Es wurde versichert, Joel und Ethan Coen hätten sich keinesfalls „getrennt“, vielleicht würde Ethan auch bald wieder bei einem Film mitmachen. Wenn nicht, dann hat Joel jetzt bewiesen – es geht auch allein. Und das sogar äußerste faszinierend.

Renate Wagner  

 

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