Filmstart: 18. Juli 2024
LOVE LIES BLEEDING
USA / 2024
Drehbuch und Regie: Rose Glass
Mit: Kristen Stewart, Katy O’Brian, Ed Harris, Anna Baryshnikov u.a.
Thelma und Louise kommen hier davon
Kommen sie wieder, die entsetzlich rohen, blutigen (und dabei immanent auch komischen) Filme, wie Quentin Tarantino oder Robert Rodriguez sie einst geliefert haben? Falls ja, kann man „Love Lies Bleeding“ vielleicht als Vorläufer der Wiederbelebung betrachten, diesmal – natürlich, wir sind im 21. Jahrhundert – als weibliche Variante. Es ist die Britin Rose Glass, die sich diese Schauerstory ausgedacht und inszeniert hat und damit ungemein viel hohes Lob errang. Obwohl man die Charakteristik als „Romantic Thriller“ nicht unbedingt unterschreiben würde…
Man wird in eine Welt, in ein Milieu geführt, von dem die meisten Menschen keine Ahnung haben. Hierzulange ist ein Fitness-Studio ja nicht unbedingt ein Ort, wo Gewalttaten zusammen laufen (hoffentlich). In einem kleinen Ort in New Mexiko, Ende der achtziger Jahre, gerät man in eine düstere Welt von Underdogs und Kriminellen. Lou, die ziemlich vertrocknet wirkt und in Daisy eine aufdringliche Freundin hat, die man nur als White Trash aus der untersten Lade bezeichnen kann, kippt aus den Schuhen, als Jackie auftaucht, schwarze Locken, ganz Weibchen, durchaus zu lesbischen Aktivitäten bereit. Schließlich kann Lou einiges für sie tun, jedenfalls Anabolika spritzen, die ihre Muskeln auf die denkbar spektakulärste (und hässlichste) Art anschwellen lassen.
Wenn es Jackie dann zu jenem Bodybuilding- Wettbewerb in Las Vegas schafft, von dem man sich vor Augen führt, dass bei dergleichen schmierigen Veranstaltungen vermutlich einst die Karriere eines Arnold Schwarzenegger begann, ist die Handlung aber schon viel weiter. Da gibt es nun die Liebesgeschichte zwischen Lou und Jackie (mit ausführlichen Sexszenen, die vor Erotik sprühen), da gibt es dann Eifersucht, da gibt es Lous kriminellen Vater, der in das Leben der Frauen eingreift, und der erste Mord ist nicht weit – er hat mit familiärer Gewalt, aber auch Eifersucht zu tun. Und so geht es weiter. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier nach und nach gemordet wird (bis zum „Happy End“), hat schon etwas Erschreckendes, wenn man sensibel ist – man kann natürlich auch den Schock hinunter schlucken und lachen…
Die Handlung schraubt sich in ihrer kriminellen Intensität immer höher, die Autorin / Regisseurin scheut vor nichts zurück, und sie kann darauf bauen, dass ihre Hauptdarstellerinnen auch die abgefucktesten Wendungen des Drehbuchs glaubhaft machen.
Die Karriere von Kristen Stewart beruht nicht auf einer Menge belangloser Filme, sondern auf zwei Biopics – sie hat sowohl die Schauspielerin Jean Seberg wie auch Prinzessin Diana mit stupender Überzeugungskraft dargestellt. Künftig wird man diese Lou zu ihren großen Leistungen dazu zählen müssen – von dem abwesenden, müde wirkenden Geschöpf des Beginns bis zur Frau, die von einer Gewalttat zur nächsten getrieben wird und aus verzweifelter Liebe alles tut, um sich und Jackie aus den fürchterlichen Kalamitäten zu retten, die sich Rose Glass schrankenlos ausgedacht hat.
Ihr zur Seite Katy O’Brian als Jackie, eine Schauspielerin, die weiß, was sie tut, war sie doch im wahren Leben tatsächlich im Bodybuilder-Geschäft. Dazu kommt der schillernde Weibchen-Charakter zwischen Berechnung und wahnsinniger Entschlossenheit, vor allem, wenn da in Anna Baryshnikov ein früheres Love Interest von Lou auftaucht, in keiner Hinsicht ungefährlich übrigens. Die Dame ist, wie der Name vermuten lässt, tatsächlich die Tochter des genialen Tänzers, und die Regisseurin hat dieses glupschäugige Gesicht in eine so brillante wie erschreckende Studie zwischen scheinbarer Naivität, Tücke und letztlich Besessenheit verwandelt.
Ähnlich unheimlich als Typ (manchmal denkt man: er übertreibt) kommt Ed Harris als Gangster-Papa daher, aber das Langhaar und die Brille stammen wohl nicht unglaubhaft noch von den frühen Hippie-Zeiten, und im übrigen ist er der denkbar souveränste Darsteller eines wirklich skrupellosen Gangsters. Dass er dem allgemeinen Gemetzel entkommt, geschieht nur, weil Tochter Lou meint, es sei die größere Strafe, ihn dem FBI auszuliefern…
Am Ende hat das lesbische Liebespärchen so viel Blut an den Händen, dass es Zeit wäre, sich wie Thelma und Louise in den Abgrund zu stürzen. Aber indem Lou noch rasch jemanden erwürgt, scheint der Weg in eine Zukunft für die beiden frei… obwohl man nicht so sicher ist, dass die beiden (wir verlassen sie irgendwo in der Wüste) es unbedingt schaffen werden. Aber wer ihnen (schon für die stupenden darstellerischen Leistungen) Sympathie entgegen bringt, kann es immerhin hoffen…
Interessant übrigens, wie viele Filme in den achtziger Jahren spielen, wo es nur Telefone und Fernsehapparate gab – und die Menschen noch ganz andere waren als jene, die schon ein Jahrzehnt später vor Bildschirmen sitzen und zwei Jahrzehnte später fixiert auf ihre Smartphones starren würden. Andere Zeiten, eine andere Welt. Allerdings so, wie Rose Glass sie meisterhaft erschreckend zeichnet, mit Sicherheit keine schönere.
Renate Wagner