Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Film: LITTLE WOMEN

27.01.2020 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 31. Jänner 2020
LITTLE WOMEN
USA / 2019
Regie: Greta Gerwig
Mit: Saoirse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh, Eliza Scanlen, Meryl Streep, Laura Dern u.a.

Immer wieder verfilmt: „Little Woman“, der Roman von Louisa May Alcott, 1868 / 69 in zwei Teilen erschienen. Die Motive, das in den USA sehr berühmte und als Zeitdokument unendlich wichtige Werk auf die Leinwand zu bringen, waren in früheren Zeiten wohl unterschiedlich – vier sehr verschiedene Schwestern, das bedeutete vier gute Rollen für potente Hollywoodstars (Katherine Hepburn oder Elizabeth Taylor waren, in verschiedenen Verfilmungen, dabei). Außerdem erlaubte die mittlerweile gut hundertfünfzigjährige Geschichte einen „schönen“ Kostümfilm.

Nun, bekanntlich sehen wir die Dinge anders – und Greta Gerwig, die als Darstellerin immer in der zweiten Reihe geblieben ist, aber als Regisseurin mit „Lady Bird“ so bemerkenswert und verdient reüssiert hat, sieht nun die Dinge wohl richtig. Und zwar im Sinn der Autorin. Mit vollem Verständnis für jene Frauen, die in Reifröcke gesteckt wurden und, wenn sie selbständig denken konnten, innerlich vor Wut geschüttelt wurden, Frau zu sein. Das bedeutete einen engen Handlungsrahmen, bedeutete ein mehr oder minder von anderen vorbestimmtes Schicksal, bedeutete Unfreiheit und, wenn man sich nicht dagegen wehrte, Unbildung (lernen zu dürfen, war ein Privileg), Mittelmäßigkeit, öde Routine…

Wie immer und überall gab es nur ein Entkommen, und die alte Tante March, von Meryl Streep wieder einmal unvergesslich gespielt, sagt auch offen auf die Frage, warum sie denn nicht verheiratet sei: Sie konnte es sich leisten, sie ist reich… Ihre Nichten, Jo, Meg, Amy und Beth March, sind es nicht. Und doch hat sich die schreibende Autorin in der Figur der Jo ein Denkmal gesetzt – ein Denkmal des Protests, des Versuchs der Unabhängigkeit durch Schreiben.

Logischerweise beginnt der Film also mit Jo (die großartige Saoirse Ronan, zuletzt die Maria Stuart des Kinos, die schon Greta Gerwigs „Lady Bird“ so überzeugend machte): Sie wird bei dem alten, routinierten Verleger Mr. Dashwood (Tracy Letts) vorstellig und kann gar nicht glauben, als er ihre Geschichte nimmt. Vielleicht auch weitere, aber sie soll sich schon merken – „short und spicy“, also kurz und g’sch,ackig, hat es zu sein, und am Ende müsse die Heldin verheiratet oder tot sein. Merk’s: richtig ist, was sich verkauft. Und vor allem: Unterhalten soll sie mit ihrem Schreiben, nicht predigen… Irgendwie hat das auch die „Little Women“-Autorin Louisa May Alcott, getan (unterhalten nämlich) wenngleich die neueste Verfilmung natürlich auf einer Feminismus-Welle segelt, die beispielsweise die neuen „Drei Engel für Charlie“ kaputt gemacht hat. Tatsächlich – Regisseurinnen predigen heute, als habe man den Feminismus erst jetzt entdeckt, als sei er nicht immer wieder erkämpft worden. Immer wieder, ja. Und jetzt – nach #metoo, das hier keine Rolle spielt – erneut?

Die schriftstellernde Jo ist also das Zentrum der Geschichte, aber es geht natürlich um die verschiedenen Charaktere und Schicksale. Und auch um die Familie im Ganzen, der Vater (Bob Odenkirk) ist im Krieg (der Bürgerkrieg, allerdings hier auf Seiten der Nordstaaten), die Mutter (Laura Dern, neuerdings – man denke an „Marriage Story“ – die Meisterin der Nebenrollen) hat immer Probleme mit dem Geld.

Und im Grunde dreht sich alles darum, wen die jungen Mädchen einmal heiraten werden, und ob sie, die finanziell nichts mitbringen, eine gute Partie machen werden (denn reiche Söhne sollen auch reiche Mädchen ehelichen)… Natürlich ist solcherart ein wohlhabender junger Mann aus der Nachbarschaft (Timothée Chalamet, sehr sensibel) allseits (auch für alle vier Schwestern…) das Objekt der Begierde.

Großes Gewicht liegt auch auf der Schwester Meg (eine sehr schöne Leistung von Emma Watson, die zehn Jahre lang Harry Potters Freundin Hermine war, aber ebenso wie „Harry“ Daniel Radcliffe dieses Klischee mühelos abgeschüttelt hat). Sie, die so gerne reich wäre (man erlebt, wie wichtig schöne Kleider für sie sind), nimmt dann doch einen gar nicht wohlhabenden Mann (James Norton) – aus Liebe. Und da ist die sensible Beth (Eliza Scanlen), die so leidenschaftlich gern Klavier spielt, aber keine Chance auf ein Künstlerdasein hat (und tragisch endet). Und schließlich die entschlossene Amy (Florence Pugh, durchaus unvergessen als des Kinos „moderne“ Lady Macbeth), die es schafft (statt Jo, die es sich so gewünscht hat), die reiche Tante nach Paris zu begleiten…

Das Bemerkenswerte an diesem unkitschigen Film von Greta Gerwig ist die Interaktion der vier jungen Frauen, ihrer Mutter und der reichen alten Tante, Lebensentwürfe zwischen Zwängen und Aufbegehren, in einer Männerwelt, die hier nicht übertrieben negativ und brutal gezeichnet wird. Dass die Handlung zwischen Zeitebenen hin- und her springt, stört in diesem Fall nicht. Es gab in den USA Diskussionen darüber, wie die Regisseurin einige Male die Vorlage der Autorin geändert hat. Doch was immer man sieht, ist zum Nutzen der Geschichte.

Wenn Jo es am Ende geschafft hat, wenn ihr Buch gesetzt, gedruckt, gebunden wird, wenn sie ihren Roman in der Hand hält und ihn umarmt – dann ist das ein Ende, das zufrieden macht. Ein kluger Film, schön gespielt, der nicht nur von Resignation, sondern auch  von Hoffnung erzählt.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken