Filmstart: 30. Mai 2024
LATE NIGHT WITH THE DEVIL
Australien / 2023
Drehbuch und Regie: Cameron und Colin Cairnes
Mit: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ingrid Torelli u.a.
Nachdenken über Horror…
Horrorfilme funktionieren meist eins zu eins. Irgendetwas Grauenerregendes wird auf der Leinwand gezeigt, um den Zuschauer in Angst und Schrecken zu versetzen. Der australische Film „Late Night With the Devil“ ist anders, er produziert Horror, indem er über diesen reflektiert – ein interessanter Ansatz, eine interessante Konstellation.
Das Brüderpaar Cameron und Colin Cairnes hat sich die Geschichte ausgedacht und inszeniert. Dabei wollen sie den Eindruck einer „dokumentarischen“ Handlung erwecken, als hätte es den Fernsehmoderator Jack Delroy (David Dastmalchian), um den es geht, wirklich gegeben. Es ist auch von gefundenem „Footage“-Material die Rede, schwarzweiße mitgefilmte Szenen rund um die Late-Night-Show namens Night Owls – als hätte es diese wirklich gegeben.
Kurz wird der Hintergrund angedeutet – dass Show-Star Delroy nach dem Tod seiner Gattin aus dem Tritt geriet, aufhörte, und dann, als er wieder kam, keinesfalls seine alten Quoten erreichte. Darum wollte er zu Halloween 1977 etwas bieten, das so sensationell war, um die Einschaltquoten in die Höhe zu reißen – „Übernatürliches“ ist bekanntlich immer und überall ein Reißer.
Man erlebt als Show-Gäste also einen Hellseher, der mit den üblichen Tricks arbeitet, den Menschen einzureden, er könne mit ihren verstorbenen Verwandten Kontakt aufnehmen. Man erlebt einen professionellen Zweifler (sehr erfrischend), der Betrug aufklären will. Ja, und dann ist da die Geschichte des Exorzismus…
Gibt es sie wirklich, diese „Mehr Dinge zwischen Himmel und Erde“, die William Shakespeare postuliert? Sind Menschen von Dämonen besessen? Nun ja, der Vatikan, der ja keine Betbruderschaft ist, sondern eine Versammlung von knochentrockenen Pragmatikern, würde sich nicht seit Jahrhunderten mit dem Exorzismus abgeben, wenn nichts „dran“ wäre. Und was täten die Horrorfilme des Kinos ohne ihn?
In diesem Fall erlebt man eine junge Wissenschaftlerin (Laura Gordon), die natürlich in der Show das Buch bewerben will, in dem sie die Geschichte eines jungen Mädchens erzählt, das aus einer Selbstmord-Sekte gerettet wurde und seither „besessen“ ist. Sie betreut diese Lilly und hat sie auch mitgebracht. Wie fragwürdig es auch sein mag – unsere Welt ist hart: Man führt die 13-jährige (Ingrid Torell) regelrecht vor, wie der Dämon von ihr Besitz ergreift. Gerade solche Szenen hat man in einschlägigen Filmen oft genug gesehen, aber nein, der Film tut uns nicht den Gefallen: Er „entlarvt“ das Mädchen und die Parapsychologin nicht als zynische Schwindler. Die Frage, ob das echt ist, bleibt im Raum.
Ebenso das, was in der Folge geschieht – dass eine ganze Zuschauerschaft offenbar kollektiv dermaßen hypnotisiert werden kann, dass sie zu sehen meinen, dass einem Mann dicke Ausbuchtungen aus dem Gesicht wachsen… Was als wahrscheinlich zynische Show gedacht war, wird zur erschreckenden, scheinbaren, hautnahen Realität für alle Beteiligten.
Und die klassische Frage, ob all das nicht eher in den Köpfen der Menschen vorgeht als sonstwo, stellt sich für Jack Delroy ganz persönlich, wenn er sich plötzlich mit seiner sterbenden Gattin auf ihrem Totenbett konfrontiert sieht – und was dann geschieht, ist wirklich Horror…
Es geht um die Frage, was dahinter steckt. Was ist bewusster Betrug? Was lässt man sich vormachen und ab wann macht man unbewusst selbst mit? Definitive Antworten gibt es natürlich nicht. Aber die Fragen werden spannend gestellt – obwohl sich alles nur schlicht in einem historischen Fernsehstudio abspielt und „Horror“ ohne Firlefanz gemacht wird.
Renate Wagner