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Film: LAMB

05.01.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

film lamb

Filmstart: 6. Jänner 2022 
LAMB
Dýrið / Island, Schweden, Polen /  2021 
Drehbuch und  Regie: Valdimar Jóhannsson
Mit: Noomi Rapace, Hilmir Snær Guðnason, Björn Hlynur Haraldsson

Man ist in Island. Das erzählt die Landschaft, die in diesem Film so bedeutend mitspielt, in ihrer einsamen Weite, mit ihren magischen Nebeln, ihrer majestätischen und zugleich drückenden Stimmung. Und schließlich gehört eine Insel, in der Menschen ganz fest an Trolle und Fabelwesen glauben, als wären sie wirklich  und wahrhaftig real, zur Geschichte, die Regisseur Valdimar Jóhannsson in dem Film „Lamb“ erzählt (mit dem man auch in den Bewerb um den Auslands-Oscar gehen will). Man hat dem Streifen, der bei den Filmfestspielen von Cannes einiges Für und Wider erregte, auch als Horrorfilm bezeichnet. Das ist er nicht, wenn man Schreckensbilder erwartet. Das ist er doch, wenn eine Geschichte in sich so unheimlich ist, dass man sie nicht wirklich begreifen kann. Am ehesten ist es noch die „dräuende“ Musik, die permanent Schlimmes zu verkünden scheint.

In dieser isländisch-schwedisch-polnischen Co-Produktion, die in isländischer Sprache gedreht wurde (Hauptdarstellerin Noomi Rapace hat in ihrer Jugend lange genug hier gelebt, um sie zu beherrschen), verarbeitet der isländische Regisseur, wie es hieß, eigene Erinnerungen und Erfahrungen. Und stellt uns das Problem eines Ehepaares vor, das auf einer großen, sehr, sehr einsamen Farm lebt.

Maria (Noomi Rapace) und Ingvar (Hilmir Snær Guðnason)  züchten Schafe, und die beiden sind offenbar ganz allein hier, von den Tieren abgesehen. Sie reden fast nichts, also erfährt man im Grunde nichts über sie – auch nicht, als das Seltsame eintritt.

Eine Schaffarm – es sind viele Tiere – macht viel Arbeit, man muss sich um alles kümmern, auch darum, den weiblichen Schafen bei der Geburt zu helfen. Und da scheint, was Genaues sieht man zuerst nicht (so wie vieles in diesem Film absichtlich im Dunkeln bleibt), ein kleines Lamm anders zu sein als die anderen. Und das Ehepaar, zwei Menschen mittleren Alters, die längst halbwüchsige Kinder haben könnten, beginnt sich seltsam zu verhalten.

Man traut seinen Augen nicht, wie dieses kleine Lamm wie ein Kind gestreichelt, gehätschelt und gepflegt wird, es dreht einem den Magen um, wenn Maria einen Blumenkranz flicht und ihn auf die Schafstirne stülpt, als wäre es ein kleines Mädchen… Und als das Schaf mit Kleidchen auf zwei Beinen geht, ist vollends klar, dass es sich um eine Schaf-Mensch-Mißgeburt handelt…

Der fast zweistündige Film handelt sein Geschehen langsam, seltsam, meist schweigend, auf engstem Raum ab. Nur ein Mensch kommt noch hinzu, Pétur (Björn Hlynur Haraldsson), der Bruder von  Ingvar, der Mühe hat, Fassung zu bewahren, als das Schaf – sie heißt Ada – an den Tisch gesetzt wird und von einem Teller isst… Aber sein Versuch, mit den beiden darüber zu sprechen, was hier vorgeht, scheitert. Er könne hier bleiben, sagt Ingvar, aber er habe ohne Diskussion  zu akzeptieren, was hier geschieht… Es könnte, mit einigen Tricks, ein Psychothriller werden, aber auch das wird im ruhigen Fließen des Geschehens verweigert.

Regisseur Valdimar Jóhannsson, der auch das Drehbuch schrieb (mit Hilfe von Sjón, der Songtexte für Björk geschrieben hat, aber Dialoge sind gewiß nicht der Schwerpunkt des Films), führt das Publikum in eine Parallelwelt, zu der er nichts Genaues aussagt. Dass die Schafsmutter „ihr“ Kind immer wieder zurück haben will, ist ein weiterer unheimlicher Aspekt des Geschehens. Gewiß, nicht jedes Rätsel muss aufgelöst werden, aber wenn man ratlos zurück bleibt, ist auch der Nachgeschmack unbefriedigend. Am Ende gibt es einen Gewaltakt, der wie die Rache der Natur wirken könnte, aber auch das bietet keine Lösung. Und wie all das weitergehen sollte und warum es so ist… das ist vermutlich ein Geheimnis, das nur Isländer verstehen können.

Renate Wagner

 

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