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Film: LA GOMERA – VERPFIFFEN UND VERRATEN

11.02.2020 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 14. Februar 2020
LA GOMERA – VERPFIFFEN UND VERRATEN
La Gomera (Internationaler Titel: The Whistlers) / Rumänien / 2019
Drehbuch und Regie: Corneliu Porumboiu
Mit: Vlad Ivanov, Catrinel Marlon, Rodica Lazar, Agusti Villaronga, Cristóbal Pinto u.a.

Die meiste Zeit wird Rumänisch gesprochen, allerdings auch eine Menge Spanisch, wenn die Handlung auf der titelgebenden Sonneninsel spielt, leider nur selten Englisch (zur zwischenzeitlichen Erleichterung des Kinopublikums, das endlich die Augen von den Untertiteln nehmen kann) – und Deutsch hört man nur einmal, wenn im Hintergrund der „Mackie Messer“-Song erklingt. Das nennt man wohl Globalisierung. Und die neue Vorliebe für Randgruppen hat den rumänischen Regisseur Corneliu Porumboiu stark ins Zentrum des Interesses gerückt.

Mit seinem Gangsterfilm „La Gomera“ war er auch im Vorjahr beim Festival von Cannes, und tatsächlich hat man es eher mit einem Arthouse-Produkt zu tun als mit klassischer Unterhaltungsware. Vieles an der Geschichte ist bemerkenswert grotesk: Man versteht ja, dass in einem Zeitalter der totalen Überwachung Auswege gesucht werden, Kommunikationsmittel, die von der Polizei einfach nicht entschlüsselt werden können. Wie die „Pfeifsprache“ namens El Silbo, die eben auf dieser kanarischen Insel La Gomera gepflegt wird (tatsächlich, keine Drehbucherfindung) – und sich anhört wie Vogelgezwitscher. (Der deutsche Titel mit „verpfiffen“ bekommt dadurch eine schöne Doppelbedeutung.)

Um diese Sprache zu erlernen, kommt Cristi zu Beginn des Films hierher: An sich ist er Polizist, aber er arbeitet auch für die Mafia, und für einen Sonderauftrag braucht er diese Sprache. Angeblich – später wird klar, dass es dramaturgisch auch ohne diesen Clou gegangen wäre. Dennoch ergibt das Lernen dieses Gezwitscheres manchen komischen Effekt…

Porumboiu erzählt die Geschichte als sein eigener Drehbuchautor auf vielen Ebenen und in vielen Kapiteln, die jeweils einer Person gewidmet sind. Dadurch ergibt sich zeitlich und inhaltlich ein schönes Chaos, und man hat den Eindruck, dass es der Regisseur vor allem auf Verwirrung anlegt.

Und auf die klassischen Klischees des Kriminalfilms, die er gewissermaßen ironisiert: Da ist der schweigsame, undurchdringliche Polizist Cristi (wobei Vlad Ivanov, wenngleich in seiner Heimat sehr berühmt, nicht sonderlich charismatisch von der Leinwand kommt).

Da ist als Aufputz für das ganze Geschehen die „femme fatale“ schlechthin, Gilda (natürlich, dieser Name hat Filmgeschichte!), die Dame in Rot, die nicht nur Einblick in ihr Dekolleté gewährt (wie herrlich gestrig), sondern auch zu heftigem Sex bereit ist (Catrinel Marlon macht das perfekt) – wenn sie zur Täuschung der Polizei hier zeigt, was sie kann, ist es ergötzlich das Gesicht des Überwachers zu sehen, der hier tief Luft holen muss, als er in den Genuß einer privaten Sex-Show kommt…. Und da ist auch noch Magda (Rodica Lazar), bei der rumänischen Polizei die Vorgesetzte von Cristi, und ehrlich, man kriegt nicht heraus, ob sie von seinem doppelten Spiel weiß – oder ob sie am Ende gar selbst eines betreibt?

An sich soll Cristi im Auftrag von Mafiaboss Paco (Agusti Villaronga) den Geschäftsmann Zsolt (Sabin Tambrea) aus dem Gefängnis holen, denn, Teufel noch einmal, nur dieser Herr weiß, wo er 30 Millionen Euro versteckt hat (da er Matratzenfabrikant ist, ist die Lösung dann… na ja). Was ist die Moral von der Geschichte? Wenn man es so volkstümlich ausdrücken darf: Jeder bescheißt jeden.

Natürlich braucht dergleichen eine Schlußpointe, zu der Corneliu Porumboiu das Publikum (wiederum auch nicht völlig logisch, aber kommt es darauf an?) am Ende nach Singapur führt, nachdem man sich bis dahin entweder in Bukarest oder auf der Insel aufgehalten hat. Dort, im Fernen Osten, erlebt man das irrwitzige Feuerwerk, das als Sound & Light-Show im Hotel Gardens By The Bay stattfindet. Dazu erklingen der Donauwalzer und der Radetzkymarsch abwechselnd mit Tschaikowskys „Schwanensee“, und auch bis dahin hat der Regisseur schon gezeigt, dass er um die „Filmmusik“-Qualitäten der Klassik-Klassiker weiß – von „Casta Diva“ bis zur Barcarole, von Mackie Messer bis zum CanCan, alles da.

Letztendlich aber macht Corneliu Porumboiu seinen Film komplizierter, als er sein müsste, wohl in dem Wissen, dass er so Festival-Chancen und damit mehr Beachtung erreicht, als wenn er ihn nur als rumänisches Randprodukt ohne Stars in die europäischen Kino brächte, wo er vermutlich unter ginge. Auch hat Porumboiu es immerhin geschafft, dass sein Heimatland den Film für den Auslands-„Oscar“ nominiert hat, und das ist Ruhm genug, auch wenn man nicht gewinnt. Kurz, eine Rechnung, die zumindest für die persönliche Reputation des Regisseurs aufgegangen ist, wenn das Publikum auch nur den Eindruck hat, einen ziemlich konfusen Krimi mit etwas Humor und ohne besondere Spannung erlebt zu haben.

Renate Wagner

 

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