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Film: KONKLAVE

Die Wahl des nächsten CEO…

20.11.2024 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 21. November 2024
KONKLAVE
Conclave  /  USA  /  2024
Regie: Edward Berger
Mit:  Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow i.a.
Prädikat: wertvoll

Die Wahl des nächsten CEO…

Was ist der Vatikan? Sicher keine Versammlung frommer Herren, die nichts im Sinn haben als den Glauben. Der Vatikan ist eine Riesenfirma, und wenn ein neuer Papst gewählt werden muss, geht es zwar angeblich um den „Heiligen Vater“, tatsächlich aber  um den nächsten CEO, der in ziemlich ungebrochener Machtfülle alles vorgeben wird – vor allem die Linie der Katholischen Kirche und ihrer ca. 1.4 Milliarden Mitglieder in aller Welt… Jede Wahl ist eine Richtungsentscheidung, die nicht nur für die Katholiken den Kurs auf Jahre, vielleicht Jahrzehnte prägen wird.

Nun weiß niemand, was hinter den Mauern des Vatikans und gar hinter den verschlossenen Türen der Sixtinischen Kapelle vorgeht, wenn die tatsächliche Wahl stattfindet. Aber Robert Harris, einer der besten Schreiber historischer Romane in unserer Zeit (für jeden, der am alten Rom interessiert ist, kann man seine „Cicero“-Trilogie nur dringend empfehlen), hat sich in dem Roman „Konklave“ von 2017 schon sehr plastisch vorgestellt, was da abgeht. Man ist bereit, es ihm bis in jedes Detail zu glauben, als wäre er als Mäuschen bei einer Wahl dabei gewesen…

Und von ähnlicher Faszination wie einst der Roman ist nun auch der Film, den Edward Berger (der Deutsche, hoch gelobt für seine Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“) nun nach der Vorlage gedreht hat. Das kommt auch daher, weil der Regisseur sich nicht auf das so weit verbreitete Bashing der Kirche einließ (die sexuellen Verfehlungen der Herren, die angesprochen werden, betreffen hier nur Frauen). Und auch, weil er einer Welt, die wohl tatsächlich morsch ist, jene Würde belässt, die sie nach außen hin immer noch aufrecht erhalten kann.

Im Zentrum dieser fiktiven Papstwahl steht die einzige charakterlich untadelige Figur des Films: Ralph Fiennes spielt diesen Kardinal Lawrence mit der aufrechten Haltung eines Mannes, der nichts anderes will, als diese Wahl korrekt über die Bühne zu bringen. Sein persönlicher Ehrgeiz, Papst zu werden, ist nicht existent – im Gegensatz zu den Figuren, die hier einer nach dem anderen ins Zentrum rücken. Fiennes ist für diese Rolle ein ernsthafter und würdiger „Oscar“-Kandidat.

Robert Harris hat die Probleme unserer Zeit, die auch nicht vor dem Vatikan Halt machen, personalisiert. Da ist – eine Meisterleistung von Stanley Tucci, der Nebenrollen-„Oscar“ sollte winken – jener Kardinal Bellini, der hofft, dass er mit seiner liberalen, weltoffenen Anschauung neue Wege gehen darf, wenn er Papst wird. Es stellt sich schnell heraus, dass es bei den Kollegen keine Intention gibt, ihm hier zu folgen.

Da ist der klassische Konservative in Gestalt von Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto), der dringend wieder einmal einen Italiener als Papst wünscht und gar keine Vorliebe für die vielen „farbigen“ Kollegen hat.

Aber Diversität ist auch in der Kirche angekommen,  und so hat der Schwarzafrikaner Kardinal Adeyemi (Lucian Msamati) reelle Chancen – so sehr, dass die Gegner dieser Öffnung in die Dritte Welt etwas unternehmen müssen. Also hat der amerikanische Kardinal Tremblay, der sich selbst gute Chancen ausrechnet, bis er selbst von der Politischen Korrektheit erwischt wird (John Lithgow), in der Schmutzkiste gewühlt und holt eine Jugendsünde des Kollegen in den Vatikan, in Gestalt einer Nonne, die Adeyemi vor Jahrzehnten geschwängert hat…

Da erfolgt dann auch der starke Auftritt der nahezu einzigen Frau – Isabella Rossellini, großartig als jene Nonne, die eine Schar anderer Nonnen befehligt, die für alle niedrigen Arbeiten zuständig sind, aber von niemandem überhaupt bemerkt werden dürfen. Wenn sie erklärt, man erwarte von ihresgleichen, unsichtbar zu sein, aber Gott habe ihnen (den Frauen nämlich) Augen und Ohren gegeben, ist es ein eleganter, aber nicht minder starker Hieb gegen das Frauenbild der Katholischen Kirche. Nicht zu vergessen sind die Sekretäre und Unterläufel, die im Gegensatz zu den Kardinälen während der Papstwahl nicht „eingesperrt“ sind und als Weiterträger von Gerüchten ihre bedeutende dramaturgische Funktion haben.

Leider ist die einzige Schwäche des Romans, die sein Ende beim Lesen ziemlich zerstört hat, auch in den Film übernommen worden. Man kann sich vorstellen, dass ein Mann von „Nirgendwo“ (zwischen Südamerika und Asien), der unter der schützenden Hand des verstorbenen Papstes weit weg von den kirchlichen Zentren Dienst tut, nach und nach die Stellung eines „Verlegenheits“-Kandidaten einnimmt, wenn alle Favoriten wegbrechen. Obwohl die Genderproblematik vor sieben Jahren, beim Erscheinen des Romans, noch nicht besonders virulent war, hat Harris sie am Beispiel von Kardinal Benitez (Carlos Diehz) aufgeworfen. Sicher ging es dem Autor dabei um die Ausgrenzung der Frauen aus allen kirchlichen Ämtern – dennoch ist dieser „Inter“-Entwurf entbehrlich, eigentlich peinlich.

Am Ende aber bleiben die Pracht des Zeremoniells und die – sicherlich nicht lebensfremde – Erkenntnis, dass die Herren der Kirche nicht besser (und möglicherweise nicht einmal frömmer) sind als andere Menschen. Trotzdem halten sie ihr Schiff seit zweitausend Jahren unter Segeln –  und werden es wohl auch weiter tun. Im Kino machen sich Filme über sie jedenfalls prächtig.

Renate Wagner

 

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