Filmstart: 22. März 2023
JOHN WICK, KAPITEL 4
John Wick, Chapter 4 / USA / 2022
Regie: Chad Stahelski
Mit: Keanu Reeves, Bill Skarsgård, Donnie Yen, Ian McShane u.a.
Was unterscheidet die „John Wick“-Filme von den meisten Action-Streifen dieser Art? Sie sind besser. Vielleicht nicht im Inhalt, aber in der Machart. Da herrscht sowohl in der Bildsprache wie der Kameraführung höchste Ästhetik, abgesehen davon, dass die Kampfszenen, und sie sind häufig und ein essentieller Bestandteil des Ganzen, optimal choreographiert sind.
Es schwebt gewissermaßen immer ein Hauch von Ironie über der Brutalität, die da mit lockerer Selbstverständlichkeit waltet. Die Martial-Arts-Kunst der besten Hongkong Filme steht hier Pate. Und das Ganze ist auf so wunderbare Art „Kino“, dass man sich dem Geschehen (fast drei Stunden und so gut wie nie langweilig!) ohne Einschränkungen hingeben kann.
Man kennt John Wick, den Auftragskiller, seit 2014, als der Regisseur Chad Stahelski (einer der besten Stunt-Man seiner Zeit) und Hauptdarsteller Keanu Reeves ihn auf die Leinwand brachten. Reeves war nie ein Kuschel-Star für Frauen wie etwa Leonardo DiCaprio, als er jung war, dazu ist er zu wenig schön und zu düster interessant, aber er hat seine Karriere sowohl mit den „Matrix“-Filmen (die keiner versteht, aber die jedermann zu faszinieren scheinen) und nun mit John Wick auf sehr starke Beine gestellt. Dass er nächstes Jahr unvermeidlich 60 wird, würde man keine Sekunde vermuten – es ist, als sei die Zeit stehen geblieben, wenn er nun schon im vierten Film der John Wick-Serie mit seinem bekannten, halblangen und fettigen Schwarzhaar und unbeweglichem Blick drahtig und beweglich durchs Geschehen schreitet, kämpft und schießt.
Vor allem schießt. Wick, der Auftragskiller, hat mit einer weltumspannend mächtigen Organisation, die sich „Hohe Kammer“ nennt, ein Hühnchen zu rupfen. Wenn er zu Beginn durch die Wüste reitet (man fühlt sich ganz à la Lawrence von Arabien) und von einem hochmütigen Scheich prophezeit bekommt, dass er bald sterben werde, gibt er nicht einmal eine Antwort, zieht seine Waffe und schießt. Erledig. Er mordet mit so leichter Hand, dass ihm ein Freund eines Tages sagen muss. „Niemand, nicht einmal du, kann jeden umbringen…“ (No one, not even you, can kill everyone.)
Immerhin lassen genügend Leute in den knapp drei Kinostunden ihr Leben, es tut einem um fast keinen leid. Wick hat Freunde an seiner Seite (souverän: Ian McShane, immer ironisch: Laurence Fishburne), und er hat einen eleganten „Bösewicht“ als Widersacher. Tatsächlich steht ihm in Bill Skarsgård (einer der vier schauspielernden Söhne des großen Stellan Skarsgård) ein bildhübscher blonder junger Mann gegenüber, dem man jede Fiesheit glaubt. Und eine besondere Rolle hat der souveräne Chinese Donnie Yen als der blinde, aber keinesfalls hilflose Caine: Ursprünglich Wicks Freund, wird er mit dem Leben seiner Tochter erpresst, Wick auszuschalten. Das läuft auf ein Duell besonderer Art hinaus… Interessant übrigens, dass der Film nahezu frauenlos ist – und sie gehen einem gar nicht ab.
Die Handlung bewegt sich von Jordanien nach New York, von Osaka kurz nach Berlin und sie kulminiert auf das schönste in Paris – mit einer gloriosen Auto-Jagd rund um den Arc de Triomphe, mit einer dramatischen Auseinandersetzung im Schatten des Eiffelturms und schließlich mit dem Shoot Out des Films vor dem Sacre Coeur.
Davor muss Wick noch die ganzen, verdammt zahlreichen Stufen zur Kirche hinauf hetzen und dabei jede Menge Gegner eliminieren, die sich ihm in den Weg stellen. Dass er bei seinem schier endlosen Sturz über die Treppen nicht tot (oder für alle Zeiten querschnittgelähmt) ist… aber es geht nicht um Realismus. Es geht um das eleganteste Action-Kino, das man sich denken kann. Regisseur Chad Stahelski klang zwar etwas hochmütig, als er in einem Interview sagte: „Wenn man Sergio Leone mit Akira Kurosawa mixt, beschreibt das ‚John Wick 4‘, aber ganz unrecht hat er nicht damit…
Renate Wagner