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Film; JEANNE DU BARRY

24.08.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

film dubarry v b

Filmstart: 24. August 2023 
JEANNE DU BARRY
Frankreich  /  2023 
Drehbuch und Regie: Maïwenn
Mit; Maïwenn, Johnny Depp, Benjamin Lavernhe u.a.

„Ja, so ist sie, die Dubarry“, heißt es schwungvoll in der Operette, mit der Lotte de Beer auch ihre Direktionsära in der Volksoper eröffnet hat. Sonst wüssten viele vermutlich gar nicht, dass diese Dame die Mätresse von Frankreichs König Ludwig XV. (Urenkel und Nachfolger des „Sonnenkönigs“) war. Dieser Herr erschien auf der Bühne der Volksoper kabarettistisch albern in Gestalt von Harald Schmidt, auf der Kinoleinwand ist er zombiegleich leblos in Gestalt von Johnny Depp zu sehen…

Obwohl dessen schauspielerische Leistung als nicht-existent beschrieben werden kann, hat Filmemacherin Maïwenn (geborene Maïwenn Le Besco, die nur mit ihrem Vornamen agiert) mit seiner Besetzung richtig gepokert – allein bei der Uraufführung heuer in Cannes drängelte sich die internationale Presse. Der ziemlich verfallene Star, der längste Zeit nur durch seinen schmutzigen Scheidungsprozeß in den Medien war, erregte bei seiner Rückkehr auf die Leinwand genügend Aufmerksamkeit. Sonst hätte Maïwenn mit ihrem Film, den sie für sich selbst geschaffen hat, vermutlich wenige Chancen.

Das liegt nicht nur daran (wen interessieren heutzutage schon historische Details), dass die originale Dubarry eine filigrane Blondine war, während man es bei Maïwenn mit einer kräftigen Brunetten, zuzüglich schon in ihren späten Vierzigern, zu tun hat. Die originale Jeanne du Barry bestieg schon mit 50 das Schafott der Französischen Revolution (keine zwei Monate nach Marie Antoinette übrigens), was der Film verschweigt, damit das Publikum nicht am Ende mit zu viel echter Historie verschreckt wird.

Immerhin hat sich Maïwenn fast zwei Stunden lang um einen klassischen Historienfilm bemüht, zurück bis in die Jugend, wo das Kind einfacher Leute ins Kloster gesteckt wurde und dort offenbar viel gelesen hat. Immer ist ein Erzähler aus dem Off  zur Stelle, was für das Publikum durchaus hilfreich ist, vor allem, wenn man den Weg zur königlichen Mätresse ja auch abkürzen muss.

Dieser König wurde von den Mächtigen seines Hofstaats mit immer neuem erotischen Futter versorgt, und Jeanne, die es zur Geliebten eines Grafen (Melvil Poupaud) gebracht hatte (der sie dann, mit einem Beutel Goldstücken gelohnt, heiraten musste, um ihr „standesgemäß“ den Weg an den Hof zu ermöglichen), wurde Ludwig zugeführt, nachdem sie dem Duc de Richelieu (Pierre Richard) aufgefallen war. Eine von vielen, demütigenden Prozeduren unterzogen, bevor man sie dem König vorführte – in dessen Gunst sie sich dann erstaunlich lange hielt.

Man sieht viel vom Hofleben in Versailles, und Darstellerin Maïwenn versucht mit ihrem attraktiven, lebendigen, herausfordernden Gesicht klar zu machen, warum gerade diese Frau den König zu fesseln vermochte. In dem Ersten Kammerdiener und Günstling des Königs La Borde (eine sehr schöne, weil menschliche Leistung im Marionettenhof: Benjamin Lavernhe) hatte sie einen wichtigen Unterstützer. Klug genug, lernt sie alles über den Hof und wie man sich verhalten muss. Die Töchter des Königs empören sich über sie, die Gattin des Dauphins, Marie Antoinette (ja, unsere Marie Antoinette, die Tochter Maria Theresias, von Pauline Pollmann als eine Art dummes süßes Mädel gezeichnet), ignorierte sie hochmütig, aber auch das stand die du Barry (mit Groll im Herzen) durch. Sie nimmt sich (für den heutigen Zeitgeist ein wichtiges Element) eines kleinen schwarzen Jungen an, den die Töchter des Königs schlecht behandeln und aus dem sie einen feinen jungen Mann machen will… (Dieser Zamor wird als Kind von Ibrahim Yaffa, später von Djibril Djimo gespielt).

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Das Ganze klingt dramatischer, als der Film sich letztendlich gibt – als färbte die Leblosigkeit des durch Zeremoniell geknebelten Hofes auf eine gewisse Leblosigkeit der schleppenden Erzählweise ab. Was sicher auch daran liegt, dass Johnny Depp in der wichtigen Figur des Königs so gut wie nicht vorhanden ist. Weil er (obwohl er 14 Jahre lang mit der französischen Schauspielerin Vanessa Paradis liiert war) offenbar so gut wie kein Französisch spricht, hat man seinen Text auf das absolute Minimum reduziert, kaum Sätze, meist nur einzelne Worte. Der Eindruck ist verheerend.

Für ein überzeugendes Zeitgemälde reicht es nicht, für eine fesselnde Studie der Heldin auch nicht, und die übrigen Defizite kommen noch dazu, so dass die „Jeanne du Barry“ nicht zur überzeugenden Leinwandheldin geworden ist, deren Schicksal man hier unbedingt sehen muss.

Renate Wagner

 

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