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Film: IN VOLLER BLÜTE

22.11.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 23. November 2023 
IN VOLLER BLÜTE
The Great Escaper  /  GB  /  2023
Regie; Oliver Parker
Mit:  Michael Caine, Glenda Jackson u.a.

Gewiß, der Originaltitel „The Great Escaper“ ist schwer zu übersetzen. Aber „In voller Blüte“ zu wählen, wo es doch um Menschen geht, deren Widerstand gegen finales Verwelken man zusieht, erscheint seltsam und wirkt wie Etikettenschwindel. Was niemanden, der die Nerven hat, Trauriges zu ertragen, davon abhalten soll, diesen Film anzusehen. Denn eigentlich ist es eine wunderschöne Geschichte.

Sie sagt nämlich einer Gesellschaft, die immer älter wird, dass man nicht im Klischee weinerlichen und lästigen Greisentums existieren muss, dass zumindest die Einstellung zum Leben, zum Rest des Lebens, in der eigenen Hand liegt. Also bricht der uralte Bernie Jordan, gewissermaßen auf der Suche nach der verlorenen Zeit, noch einmal zu einer Reise auf (was im britischen Film neuerdings ein Topos ist – alte Herren, immer die höchstkarätigen Schauspieler, machen sich auf, ihre Vergangenheit zu erleben).

In diesem Fall geht es 2014 um das 70jährige Jubiläum des sogenannten D-Day, jenes 6. Juni 1944, als die Alliierten in der Normandie landeten und mit dieser Invasion letztendlich den Zweiten Weltkrieg entscheiden konnten. Wer damals dabei war, hat es wohl nicht vergessen – wie Bernie. Als die Gruppenreise zu dem Ereignis ausgebucht ist, besteht Bernies Frau Rene darauf, dass er sich auf eigene Faust auf den Weg macht. Die beiden sind seit dem Krieg zusammen und ein glücklich liebendes Paar, auch noch in dem Pensionistenheim, in dem sie leben. Er spricht von ihr als „my girl“, und das hat etwas Berührendes (bedenkt man, dass ein alter Ehemann hierzuland wohl eher von „meiner Alten“ als von „meinem Mädchen“ reden würde…)

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Ein Mann, der wie sein Interpret (der große Michael Caine) also an die 90 sein muss, bricht (heimlich, denn das Altersheim würde ihn wohl nicht auf eigene Faust gehen lassen) mit dem Rollator auf – in Richtung Normandie, wo er zweifellos die prägendsten Eindrücke seines Lebens empfangen hat.

Die Reise bringt Begegnungen mit Männern, die wie er heute alte Herren sind und auf beiden Seiten Ähnliches erlebt  haben (Arthur – John Standing – bietet ihm an, das Hotelzimmer mit ihm zu teilen), und die Reise bringt auch – in durchaus eindrucksvollen Rückblenden – sehr schmerzliche Erinnerungen hoch. Viele junge Männer sind damals gestorben, und man weiß, dass die Überlebenden sich immer Vorwürfe machen. Dabei gibt es, und das ist bemerkenswert, so gut wie kein blödes Erinnerungsgeschwätz und keine Peinlichkeiten.

Es ist Bernies Geschichte, aber Regisseur Oliver Parker (der einige bemerkenswerte Literaturverfilmungen gemacht hat – vergisst nicht daheim auf seine Frau. Immer wieder werden  Szenen mit Rene dazwischen geschnitten, die das unsentimentale Pendant zu ihrem Mann ist und sich souverän im Altenheim bewegt, mit Anteilnahme für das Personal, die Geschichte Bernies (der inzwischen bei den Festlichkeiten als „Promi“ entdeckt wurde und immer wieder im Fernsehen ist) beobachtend. Als er endlich heimkehrt, sagt sie zu ihm: „Die nächste Reise machen wir gemeinsam.“

Man weiß, dass Glenda Jackson (1936-2023) , die hier ihre grandiose letzte Rolle abliefert, mittlerweile ihre letzte Reise angetreten hat. Michael Caine (* 1933) wollte diesen Film nicht machen, sprach von Ruhestand: Dass er ihn doch gedreht hat, ist ein Geschenk für ihn und das Publikum. Und er und Glenda Jackson gemeinsam – unvergesslich.

Renate Wagner

 

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