Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Film: ICH BIN DEIN MENSCH

24.06.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

ich bin dein mensch plakat

Filmstart: 25. Juni 2021
ICH BIN DEIN MENSCH
Deutschland / 2021
Drehbuch und Regie: Maria Schrader
Mit: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Wolfgang Hübsch u.a.

Das Erstaunlichste an diesem bemerkenswerten Film von Maria Schrader, der sein Thema jede Minute ernst nimmt, ist seine – Möglichkeit. Natürlich ist es noch „Sci Fi“, dass sich „humanoide Roboter“ (so menschengleich, dass sie nicht zu unterscheiden sind) unter uns bewegen. Aber niemand bezweifelt ernsthaft, dass dies eines Tages der Fall sein wird. Die Frage ist höchstens, wann. Und wenn man bedenkt, wie rasend schnell die Entwicklung von allem derzeit läuft… dann rückt das, was in dem Film noch als Experiment abgewandelt wird, wohl immer näher.

Das Ambiente der Geschichte ist echt und anheimelnd, Berlin, unter Wissenschaftlern, die im (wohl bekannten, „mitspielenden“) Pergamon-Museum arbeiten. Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Maria Schrader hat für ihre Hauptfigur Alma in Maren Eggert (Silberner Bär der diesjährigen Berlinale für die Beste darstellerische Leistung) einen wirklich „ganz normalen“ Typ gewählt, eine intelligente Frau ohne Kino-Glamour-Faktor, von der man überzeugt ist, dass sie kompetent an sumerischen Keilschriften arbeitet und weiß, dass man immer wieder Geld für diese Art von Arbeit braucht. Wenn sie sich an einem Experiment beteiligt…

Jeder würde vor der Idee zurück schrecken, drei Wochen lang mit einem menschengleichen Roboter zu leben, der in dieser Zeit „lernen“ soll, sich an die Bedürfnisse einer „Echt-Frau“ anzupassen. Alma hat die Scheu, ja, die Abneigung, sich da mit einer „intelligenten Maschine“ auseinander zu setzen. Aber sie tut es, weil es eben nicht anders geht…

ich bin dein mensch die zwei~1

Die Leistung, die Schauspieler Dan Stevens als Tom setzt, ist verblüffend. Auf den ersten Blick „echt“, bemerkt man bei genauem Hinsehen die äußere Glätte, scheint man zu spüren, wie die Bits im Kopf verarbeiten, was ihm entgegen kommt, er lernt auch, richtig auf Almas Distanz zu reagieren und sein Verhalten immer wieder anzupassen. Eine seht gut programmierte Maschine eben…

Das Seltsame an diesem Tom: Er ist auf „ideal“ gepolt. Wenn Alma ihn notgedrungen in ihren Alltag mitnimmt und dann auf der Straße vergisst, wird er ihr keine Vorwürfe machen, auch nicht, wenn er vom Regen total durchnässt ist, denn er spürt es ja nicht. Er empfindet auch keine Kränkung über Vernachlässigung. Man muss sich auch nicht um seine Bedürfnisse kümmern, denn eine Maschine hat keine. Aber er ist immer freundlich, liebenswürdig, geht auf sie ein. Er hat keine „emotionalen Menschen-Empfindungen“, die den Verkehr zwischen Echtmenschen so schwierig machen. Eigentlich ist dieser Tom der ideale Partner, und doch… kann es gut gehen? Es ist wunderbar, wie dieser Film von Maria Schrader diese Fragen in unzähligen humorvollen Details entwickelt, ohne je den ernsten Hintergrund der Überlegungen aufzugeben.

In einer grotesken Szene stellt sich heraus, dass die Dame der Agentur, die Tom bringt und anpreist, in Gestalt der köstlichen Sandra Hüller selbst ein Humanoid ist. Und es ist berührend, wie in einer Begegnung der alte Jürgen Tarrach seine reizende blonde Kunstfrau umarmt – endlich glücklich, nachdem keine Menschenfrau ihn offensichtlich wollte.

Ja, die Verlockung ist groß: scheinbar menschliche Gesellschaft ohne die Nachteile, die sich aus der realen Kommunikation immer wieder ergeben. Es muss nur Almas Exfreund auftauchen (Hans Löw), dessen neue Freundin schwanger ist, und schon ist da all der Kummer, den man sich bereiten kann (denn Alma hat einst ein Kind von ihm verloren). Und wenn Almas alter Vater (Wolfgang Hübsch) dement herumirrt, macht der Film die Fragilität des Echtmensch-Seins klar.

Das Thema wird weiter gedacht: Wenn dieser Tom nicht mehr als lernfähige Maschine gesehen wird, sondern durch sein liebenswertes Wesen plötzlich wie ein Mensch Gefühle evoziert, weil er sich so sehr um Alma und ihr Wohl bemüht, was dann? Dann gibt sie ein Gutachten ab, das richtigerweise besagt, dass Menschen sich nicht mehr mit problematischen Mitmenschen abgeben werden, wenn sie sich bequem mit idealen, problemlosen Gefährten befriedigen können. Ein Leben ohne Ecken und Kanten. Und doch? Irgendwann wird jemand die Frage stellen: Warum nicht? Warum nicht das Angebot des „Besseren“ annehmen, auch wenn es künstlich ist?

Was Alma betrifft, so reagiert sie mittlerweile auf Tom wie auf einen Menschen. Was jetzt? Dann gibt es für Regie und Drehbuch keinen Ausweg mehr, dann muss das Ende kitschig sein. Aber ist die Idee, dass man den Roboter einfach abschaltet und in den Müll wirft, wenn er seinen Dienst getan hat, nicht zu traurig? Wir Menschen können uns das Fühlen nicht abgewöhnen. Und so gibt es dann einen echten, fast tränenfeuchten Kinoschluß. Da hätte man dem Film gern mehr gnadenlose Konsequenz gewünscht.

Aber was er an Denkanstößen darüber bietet, was vielleicht für die übernächste (oder schon nächste?) Generation eine echte Frage sein wird – das ist bemerkenswert.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken