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Film: GROSSE FREIHEIT

16.11.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

große freiheit

Filmstart:  19. November 2021  
GROSSE FREIHEIT
Österreich, Deutschland  /  2021  
Regie: Sebastian Meise
Mit; Franz Rogowski, Georg Friedrich, Thomas Prenn u.a.

Der Tiroler Regisseur Sebastian Meise sagt es in Interviews selbst, dass er gerne von Außenseitern erzählt. Dabei ist sein Thema in „Große Freiheit“ nicht ganz so heikel wie in seinen vorangegangenen Filmen, wo er sich auf die Spuren der Pädophilie setzte. Hier geht es „nur“ um die Homosexualität, die derzeit angeblich „kein Thema“ mehr ist, aber in der Vergangenheit Menschenleben zerstören konnte. Nun – das Unrecht, das durch die Gesetzgebung erfolgt ist, bis der Paragraph 175 in Österreich 1971 endlich fiel (bis dahin waren, laut Wikipedia, 140.000 Männer deshalb verurteilt worden), kann nicht mehr gut gemacht werden.
Aber man kann davon erzählen, und Sebastian Meise tut es in einem schwer bedrückenden Gefängnisfilm, der sich zwischen der unmittelbaren Nachkriegszeit und eben 1971 erstreckt (ohne dass die Darsteller allerdings in diesem Vierteljahrhundert spürbar gealtert wären…).

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Es geht um Hans Hoffmann, von Franz Rogowski eigentlich mit wunderbarer Ruhe und Resignation gespielt, der im Gefängnis all die Demütigungen erfahren muss, die sowohl das Personal wie die Mitgefangenen einer „Schwuchtel“ entgegen bringen. Und es geht um Viktor, der wegen Mordes lebenslang „sitzt“ und den Georg Friedrich mit seiner eigenen Fähigkeit, äußere Brutalität und innere Sensibilität zu verbinden, geradezu bemerkenswert spielt.

Diese Vorgabe der verschiedenen Charaktere wird nun nicht besonders originell verarbeitet, denn Annäherung der beiden ist unvermeidlich das Thema, wobei es zwischen ihnen nicht um das Sexuelle geht. Da findet Hans im Gefängnis in dem verurteilten Lehrer Oskar (jener Thomas Prenn, der eben erst in „Hochwald“ in einer ähnlich gestrickten Rolle aufgefallen ist und der so wunderbar gefühlstief sein kann) eine neue Liebe – einander Botschaften zu schicken, indem man mit dem Strohhalm Punkte in ein Buch sticht, dass die Buchstaben dann eine Liebes- und Sehnsuchts-Erklärung bilden, wirkt allerdings stark klischiert… wie auch einige andere Wendungen der Handlung, die aus dem Handbuch des Gefängnisfilms zu kommen scheinen. Wunderbar gelungen ist jedoch die Schilderung, wie die Trostlosigkeit des Gefängnis-Alltags die Menschen aussaugt…

Neben Hans geht es auch um Viktor, der für sich selbst, um irgendetwas zu empfinden, Beschützerinstinkte für Hans entwickelt, der im Lauf der Jahre (die Zeitebenen mischen sich da) immer wieder wegen desselben Delikts ins Gefängnis und dessen tristen Alltag zurück kommt, aus dem man manchmal nur mit den abenteuerlichsten Phantasien geistig entfliehen kann.

Man erlebt Viktors Fassungslosigkeit, als Hans eines Tages sagt: „Ich bin legal.“ Und Viktor wundert sich: „Die können doch nicht einfach ein Gesetz abschaffen.“ Da steht die Frage stark im Raum, warum es dieses überhaupt gegeben hat – aber andererseits hat sich eine Gesellschaft eben in die richtige Richtung entwickelt.

Für Hans allerdings zu spät, das wird in der großartig-bedrückenden letzten Szene klar. Aus dem Gefängnis geht er geradewegs in eine Schwulenbar namens „Große Freiheit“, durch die er mit trüben Augen zieht. Um zu erkennen, dass er in dieses Leben nicht mehr hinein passt. Was er dann unternimmt, ist zwar auch sehr „Kino“ –  aber sehr stark, wie der ganze trostlose Film, der davon erzählt, dass zwangsunterdrückte Gefühle Menschen seelisch töten können.

Achtung: keine gute Unterhaltung!

Renate Wagner

 

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