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Film: GRETEL & HÄNSEL

06.07.2020 | FILM/TV, KRITIKEN

Filmstart: 9. Juli 2020  
GRETEL & HÄNSEL
USA / 2020
Regie: Oz Perkins
Mit: Sophia Lillis, Sam Leake, Alice Krige u.a.

Dass die Geschichte ursprünglich, bei den Gebrüdern Grimm, „Hänsel und Gretel“ geheißen hat, muss uns nicht bekümmern, der Film „Gretel und Hänsel“ hat mit dem Original nur noch vage zu tun. Wobei man sich immer fragt, wer auf die Idee kommt, dieses Schauermärchen Kindern erzählen zu wollen – wo Kinder (immerhin die Identifikationsfiguren kleiner Leser) von Eltern aus dem Haus geworfen und von einer Hexe in einen Käfig gesperrt werden, und wo man am Ende jubeln soll, weil diese Hexe in den Ofen gesteckt wird… kein Bild, das im geringsten positiv besetzt ist. In das Genre des Horrorkinos können diese Ingredienzien allerdings passen (waren die beiden nicht zuletzt im Kino „Hexenjäger“!!!), und genau dort sind Elemente dieser Grimm-Story in dem Film von Oz Perkins auch gelandet.

Allerdings finden wir uns heute in der #metoo-Welt, wo Frauen über und gegen alles laut protestieren, also ist nicht einzusehen, warum Gretel hinter Hänsel kommen soll, nur weil sie eine Frau ist (wir müssen auch daran denken, demnächst „Romeo und Julia“ und „Tristan und Isolde“ im Titel umzustellen).

Zu Beginn wird aus dem Off mit tremolierender Stimme die Geschichte eines jungen Mädchens mit dem zweiten Gesicht angekündet – also ist die Heldin kein armes, unbedarftes Kind mehr, mit dem man bangen muss.  Gretel ((Sophia Lillis) ist ein Teenager, der Bruder (Sam Leakey) um einiges jünger, und die beiden gehen in den Wald, denn Gretel mag sich nicht zwingen lassen, in Dienst zu einem ekelhaften alten Mann zu gehen. Also geraten sie im Wald in die Welt des Zaubers, der Magie und Rituale. Der Geruch nach Kuchen (Hänsel ist da empfänglicher als die Schwester) lockt sie zum Hexenhaus, wo es auf den ersten Blick gibt, was das Elternhaus verweigert – Essen und scheinbare Geborgenheit.

Die Hexe (Alice Krige) erweist sich als stärkste Persönlichkeit der schwachen Geschichte, wobei ihr Knusperhäuschen mit den klassischen Horror-Ingredienzien ausstaffiert ist. Und Gretel soll vor allem in die „schwarze Kunst“ der Magie eingeweiht werden, kurz, einmal ein mörderisches Frauenzimmer sein (das ist Emanzipation!). Der Film demonstriert geradezu, wie praktisch und aktiv Gretel versucht, mit den auftauchenden Problemen fertig zu werden und der Macht und den Forderungen der Hexe Paroli zu bieten – Frauenpower (eigentlich hier immer noch Girlie Power), wie auch anders heutzutage?

Die Mittel, mit denen Regisseur Oz Perkins (der Sohn von Anthony Perkins, Hitchcocks „Psycho“-Helden) die Geschichte erzählen und beim Publikum Gänsehaut erzeugen will, sind allerdings zu bekannt: verschwommen-verwaschene Bilder, viel Nebel, dazu schaurige Geräusche und eine Musikuntermalung, die vordergründig auf mystisch macht.

Gemmasifirchtn – aber so einfach ist das nicht mehr zu erreichen heutzutage, wenn ein Film im Endeffekt eigentlich nicht sagt, was er will und warum er seine Geschichte erzählt. Nur wegen Gretels vorbildlichem Statement „I am brave, I trust myself“? Das ist doch ein bisschen wenig – und vielleicht allzu schlicht spekuliert.

Renate Wagner

 

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