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Film: FRANCE

28.06.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 1. Juli 2022 
FRANCE
Frankreich  /  2021 
Drehbuch und Regie: Bruno Dumont   
Mit: Léa Seydoux, Blanche Gardin, Benjamin Biolay, Emanuele Arioli, Juliane Köhler u.a.

„France“ – da denkt man an Frankreich, und Bruno Dumont, ein Exzentriker unter Frankreichs Regisseuren, tut es sicher auch. Seine Heldin heißt nicht von ungefähr France de Meurs, und in erster Linie liefert sein Film eine brutel-witzige, dabei nicht unglaubhafte Mediensatire und scharfe Kritik an der französischen Welt, wie sie ist.

Aber daneben läuft das Schicksal von France mit Mann, Kind, Zusammenbruch, Liebhaber, und das ist nicht mehr als eine Frauen-Schnulze, wenn Hauptdarstellerin Léa Seydoux diese auch mit überzogenen Aktionen interpretiert, die wiederum Unsicherheit erzeugen – ist diese Frau je echt? Man kommt zu dem Schluß, dass man ihr gar nichts glauben kann außer ihrer Eitelkeit und Egozentrik, und das macht France zu einer veritabel unsympathischen Heldin. Auch nicht einfach für einen mit 130 Minuten unnötig überlangen Film, der die weinerlichen Elemente des scheinbar ach so bedauernswerten Frauenschicksals mühselig überzeichnet.

Aber zurück zu dem, was hier wirklich erzählt wird: France de Meurs ist ein Fernsehstar, so berühmt, wie man es hierzulande nicht kennt, nicht nur mit eigener Talkshow zu politischen Ereignissen, sondern auch vor Ort als Berichterstatterin in Krisengebieten. Aber wie! Es geht nicht um die Rebellen (denen gibt man genaue Anweisungen, wie sie für die Kamera die Gewehre zu schwenken haben), es geht schon gar nicht um die Flüchtlinge im Boot, mit denen sie angeblich gemeinsam das Mittelmeer überquert (während France tatsächliclh gemütlich im Polizeiboot sitzt), es geht darum, dass France auch gut aussieht und zentral im Bild ist, wenn die dramatischen Szenen gedreht werden, so dass man sie bewundern kann – wie tapfer sie doch ist, und wie gut sie dabei aussieht…

Ihr meist zur Seite, eigentlich wie ein böser Dämon, ihre Assistentin (oder Produzentin?) Lou (glänzend: Blanche Gardin), die ihr immer wieder zuflüsterte, wie gut sie ist, wie phantastisch, und dass sie eigentlich nichts falsch machen kann – auch wenn sie im Grunde alles falsch macht.

Berühmtheit ist schön, jeder kennt einen, jeder bewundert einen offenbar, aber auch jeder strudelt einen an. Dass ein belangloser Unfall, wo France (am Autotelefon mit der Familie streitend) einen schwarzen Fahrradboten (Jawad Zemmar) umfährt, dem nichts Ernsthaftes passiert, unsere Heldin total aus der Bahn werfen kann… na ja, jede Persönlichkeit, die von ihrem Ego so unter Streß gesetzt wird, bricht einmal zusammen. (Die Fahrradboten-Geschichte mit seinen Eltern, die sie so bewundern, ist ein Teil der Rassismus-Schiene dieses Films, wo die scheinbar in Reue erstickende France sich einfach mit einem Scheck frei kauft…)

So viel zum politischen Teil, dem gelungenen. Nun der private, der uns zeigen soll, dass Glück nicht mit Geld zu kaufen ist (die alte, tröstliche Weisheit für die vielen normalen Menschen, für denen Schicksal sich niemand interessiert). In ihrer Luxuswohnung hat France einen erfolglosen Schriftsteller-Ehemann (Benjamin Biolay), dem sie irgendwann ins Gesicht schreit, um wie viel mehr sie verdient als er, und einen wirklich unerfreulichen, pappigen kleinen Sohn (Gaëtan Amiel), dem es völlig egal ist, ob er in der Schule durchfällt oder nicht. Normale Probleme für Frauen, allerdings noch etwas verschärft gegenüber dem Durchschnitt – und das nervt France nun einmal echt. Da kommt der Zusammenbruch gerade recht, um sich in ein Sanatorium in den Bergen zurück zu ziehen. (Dort hat Juliane Köhler einen amüsanten Gastauftritt als promisüchtige Patientin.) Ist es möglich, dass der junge Lateinlehrer Charles Castro (Emanuele Arioli) France wirklich nicht kennt, wie er vorgibt? Kann es wahre Liebe sein?

Ist es nicht, denn kaum ist sie wieder in Paris und bereit, ihren Job zu machen, erscheinen dessen reißerische Berichte über das intime Zusammensein mit Promi-Frau France in der Zeitung. Na ja, Journalisten, sie muss es ja wissen… Noch ein Zusammenbruch? Nein, der Job beginnt von vorne, und wenn die Pressetexte des Films verkünden, „sie fängt ganz von vorne an – diesmal mit viel Ironie und einem Augenzwinkern“, so ist das glatt gelogen: Sie ändert sich nicht im geringsten, sie bleibt absolut ihr oberflächliches, gewissenloses Selbst.

Und was hat sich Bruno Dumont, der Drehbuchautor, eigentlich dabei gedacht, wenn er über alles noch eine Tragödie kippt und Ehemann und Sohn bei einem Autounfall ums Leben kommen? Wir bemerken bei France nicht eine Sekunde der Erschütterung (nun gut, wahrscheinlich ist sie froh, die beiden los zu sein), aber dann noch knüppeldicke Sentimentalität: Der arme, verräterische Liebhaber ist so erschüttert – darf er nicht doch zurückkehren? Er darf. Mit tragischer Miene lehnt sie ihren Kopf an seine Schulter.

Und man fragt sich, wie die Medien-Satire und die Frauenzeitschrift-Schnulze zusammen passen sollen. Nur weil France in beiden ihre verlogene Rolle spielt?

Renate Wagner

 

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