Filmstart: 17. Mai 2023
FAST & FURIOUS 10
Fast X / USA / 2023
Regie: Louis Leterrier
Mit: Vin Diesel, Jason Momoa, Michelle Rodríguez. Charlize Theron u.a.
Einst, und das ist mittlerweile 22 Jahre her, begann es mit einem Film namens „Fast & Furious“ über illegale Straßenrennen, und wahrscheinlich hätte 2001 niemand in seinen kühnsten Träumen gedacht, dass sich hier ein Franchise aufbauen würde, das seinen eigenen Regeln gehorcht. Wenn man nun mit Teil 10 beim angekündigten Halbfinale ist (Teil 11 gibt es sicher, wie es weitergeht, wer weiß?), dann hat sich da auf der Ebene der Action-Kracher am Lenkrad allerhand entwickelt.
Zwar hat heute jeder Film dieses Genres, der auf sich hält, irgendeine Autojagd zu bieten, aber bei „Fast & Furious“ ist es sozusagen die Gen-Struktur der Streifen, die im übrigen (auch dieser!) so konfus sind, dass man sie gar nicht nacherzählen könnte und wollte. Hauptsache, Vin Diesel spielt die Hauptrolle und die Autos – ja, die brausen los, die Motoren heulen auf, die Bremsen quietschen, das Metall knirscht, die Dinger fliegen durch die Lüfte (und wie die Menschen das überleben, spottet allen Grundgesetzen der Physik und der Logik). Immer wieder explodiert ein Tank, und die Feuergarben durchziehen das Geschehen. In der besten Szene des Films muss man befürchten, dass Rom in Schutt und Asche gelegt wird.
Worum geht’s? Zu allererst um Familie. Bei einer Grillparty darf sich „Dom“ Toretto (Vin Diesel mit ziemlich unverändert unerschütterlicher Miene, was immer auch geschieht) glücklich im Kreis der Seinen wähnen, es werden pathetische Sprüche geklopft, der kleine Sohn Brian (Leo Abelo Perry) wird schon in die Geheimnisse des Autos eingeführt, Love-Interest Letty (Michelle Rodríguez) ist unverzichtbar und scheinbar alterslos da und ein paar echte Alte auch… Aber es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt…
Filme dieser Art brauchen einen Bösewicht, diesmal ist es der Sohn eines von Dom einst unschädlich gemachten Drogenbarons, und der Hawaiianer Jason Momoa zieht als Dante Reyes alle ironischen Register – mit fettigem schwarzem Langhaar, zynischem Lächeln, freudiger Lust am Bösen, wie es sich gehört, wenn man nichts ernst nehmen muss.
Aber man ist ja wegen der Autos da. Wie gesagt, die beste Szene findet in herrlicher Überlänge (dass der Film selbst 2,20 Stunden braucht, ist weniger nötig) in Rom statt, was sich da in den Straßen der Stadt (mal das Forum Romanum, mal das Kolosseum, mal der Vatikan im Hintergrund) abspielt, ist mit Worten nicht zu beschreiben, das muss man sehen. Danach wartet man lange und vergeblich, dass es so weiter geht, denn erst am Ende gibt es wieder annähernd Vergleichbares, Autos werden von Hubschraubern hoch gehoben und durch die Lüfte gewirbelt, es kommt zur Konfrontation mit dem Bösewicht an einem riesigen Staudamm, vor dem Feuer fliehend durch die Luft ins Wasser… und was dann? Total unvermutetes Ende, das gar keines ist, alles offen lässt und dem Kinopublikum sagt: Demnächst, Leute, gibt es die Fortsetzung. Wenn man sich in zwei Jahren noch an all den Unsinn erinnert, den man hier gesehen hat…
Denn außer dass Dom und Dante immer wieder auftauchen, ist die Geschichte das reine Chaos und läuft auf vielen Ebenen, mit viel zu vielen Figuren auch, die wenig zu tun bekommen. Der kleine Sohn wird mit seinem Onkel, Doms Bruder Jakob (John Cena) auf eine Reise durch Amerika geschickt. Letty ist in Rom rasant auf dem Motorrad unterwegs, wird aber dann verhaftet (normalerweise musste der Held sie ja retten, aber der kümmert sich überhaupt nicht um sie!) und landet (nicht fragen, wie, wahrscheinlich hat man es im Trubel nicht mitbekommen) in der Antarktis. Dort ist dann auch Cipher (Charlize Theron), aus früheren Filmen vage in Erinnerung, und dass zwei Frauen auf einander so brutal losprügeln wie Männer – wollen wir das sehen? Wenn Dom versonnen auf Rom blickt, steht plötzlich Helen Mirren neben ihm, (für nur eine undurchsichtige Szene), einmal geht eine Tür auf, Jason Statham tritt heraus, spielt ein bisschen mit und verschwindet wieder.
Wie gesagt, um ein Drehbuch hat man sich cnicht gekümmert, Regisseur Louis Leterrier drehte (mit einer hochrangigen Crew von Action- und Stunt-Fachleuten), was ihm unter die Finger kam, und irgendjemand hat es zusammen geschnitten.
Ja, und wer tatsächlich auf den versprochenen Auftritt von Dwayne Johnson wartet, einst ein Star der Serie, dann nach Krach mit Diesel hinaus katapultiert, der muss schon bis zum Nachspann aushalten, damit sein Gesicht sekundenkurz auf der Leinwand erscheint.
Was die Serie kann, wird in der Rom-Sequenz gezeigt. Sonst ist man, ob in Rio, ob in London, ob an der Küste Portugals, ob im ewigen Eis oder wo immer gewissermaßen verloren. Macht nichts – Fans bekommen zumindest andeutungsweise, wofür sie gern ihr Geld ausgeben, und sie können, im Gegensatz zum Normalbesucher, dem die Zusammenhänge völlig wurscht sind, sich wieder die alten und neu auftauchenden Figuren zusammen setzen. Sollte man sich den nächsten Teil antun, dann nur wegen des Bösewichts – der war wirklich komisch.
Renate Wagner