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Film: FALLENDE BLÄTTER

11.09.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

film fallende blätter~1

Filmstart: 14. September 2023 
FALLENDE BLÄTTER
Kuolleet Lehdet  /  Finnland  /  2023 
Regie: Aki Kaurismäki
Mit: Jussi Vatanen, Alma Pöysti u.a.

Selten hat man in wenigen Szenen so überzeugend zwei einsame Menschen kennen gelernt wie hier. Man ist in einer profillosen finnischen Kleinstadt. Ansa (Alma Pöysti) arbeitet im Supermarkt, an der Kasse oder beim Auffüllen der Regale. Daheim in ihrer Küche schiebt sie das Essen in die Mikrowelle, wirft es dann aber weg. Sie hört Radio, dauernd wird über die Ukraine berichtet. Man spürt, wie sehr sie nichts mit sich anzufangen weiß.

Dann lernt man Holappa (Jussi Vatanen) kennen, ein einfacher Mann, der am Bau arbeitet. Er raucht viel, nach und nach wird man merken, dass er zu viel trinkt. Er ist wortkarg, sein Arbeitskollege bringt nicht viel aus ihm heraus. Auch Holappa hört Nachrichten, der Ukraine-Krieg ist das Thema,

Zwei Menschen, die abends traurig in einem Karaoke-Lokal sitzen. Und hätte Regisseur Aki Kaurismäki nicht schon jetzt in seinem Film „Fallende Blätter“ seine Meisterschaft gezeigt, so ist atemberaubend, wie die beiden den jeweils anderen ansehen, nie direkt, und doch spürt man, dass sie sich – erkennen. In ihrer Traurigkeit, ihrer Einsamkeit, in der Hoffnungslosigkeit ihres Lebens.

„Fallende Blätter“ des finnischen Meisterregisseurs wird zu einer Beziehungsgeschichte, aber natürlich der ganz besonderen Art. Da springen nicht zwei miteinander ins Bett. Die lernen sich zögerlich kennen. Und das Schicksal meint es nicht gut mit ihnen – nicht beruflich, nicht privat.

Sie wird gekündigt, nimmt eine Stelle als Aushilfe für alle Schmutzarbeit in einem verdächtigen Lokal an, dessen Chef wegen Drogendelikten verhaftet wird – sie bleibt ohne Lohn zurück. Am Ende sieht man ihr dabei zu, wie sie körperliche Schwerarbeit verrichtet, die man keiner Frau zumuten sollte.

Er wird beim Trinken erwischt, verliert seine Arbeit. Kaurismäki hat ein Herz für die Armen, für die Chancenlosigkeit ihrer beruflichen Existenz, ohne je in Opfergejammere auszubrechen. Das Leben, es ist so…

Aber die beiden haben sich getroffen, sind ins Kino gegangen, irgendein Zombie-Film. Sie gibt ihm ihre Telefonnummer, er verliert den Zettel… Das ist tragikomisch, aber ein Lustspiel wird nie daraus. Jedenfalls gelingt es dem Regisseur, dass man mit diesen beiden Menschen von Herzen bangt –  wird er ihnen erlauben, sich zu finden?

Ja, aber es ist kompliziert, weil sie ja nicht einmal die Namen des anderen kennen, sogar echte Katastrophen werden nicht ausgespart. Und es bleibt in diesen Psychogrammen der Innerlichkeit still zwischen ihnen. Aber schön. Atemberaubend schön. Einer der schönsten Filme, an die man sich erinnert.

Renate Wagner

 

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