Filmstart: 12. September 2024
EZRA
USA / 2024
Regie: Tony Goldwyn
Mit: William A. Fitzgerald, Bobby Cannavale, Rose Byrne, Robert De Niro, Vera Farmiga, Whoopi Goldberg u.a.
Einfach nur herzzerreißend
Der „Rain Man“-Film hat einiges dazu getan, das Bild des Autismus zu verniedlichen. Ein starr blickender Dustin Hoffman (so dass man weiß: Das ist eine „Oscar“-reife Leistung!), und ein Mathematik-Genie ist der Mann auch. Na und? Nichts na und, Autismus ist eine ziemliche Katastrophe, wobei sie die Betroffenen möglicherweise weniger dramatisch empfinden als die Umwelt, die sich darauf einstellen muss. Eine Familie mit einem autistischen Kind steht vor ganz besonderen Herausforderungen.
Der Film „Ezra“ fasziniert durch die Darstellung des Zehnjährigen (atemberaubend: William A. Fitzgerald), der klug und lieb (aber nicht auf kinogerechte Art!) ist und nichts für sein erratisches Verhalten, seine Ausbrüche, seine Panik, angefaßt zu werden, tun kann. Da wird nichts beschönigt, und es hilft, wenn man erfährt, dass Drehbuchautor Tony Spiridakis selbst der Vater eines autistischen Kindes ist und weiß, wovon er spricht. Ob es nun um Ezra selbst geht oder um seine Umwelt.
Die äußere Umwelt, in diesem Fall Schule und Behörden, können in so einem Kind nur einen Störenfried sehen – in eine Sonderschule abschieben und mit Medikamenten ruhig stellen, ist da die Regel. Und man kann sich vorstellen, wie Eltern, die ihr Kind wirklich lieben, darauf reagieren. Dabei sind der im Moment nicht sehr erfolgreiche Comedian Max (Bobby Cannavale spielt sich die Seele aus dem Leib) und die sympathische Jenna (Rose Byrne, im Privatleben Cannavales Gattin) geschieden, aber die Liebe zum Sohn verbindet sie. Zwischen ihnen steht der Vater von Max, und Robert De Niro, einer der Größten der Filmbranche, der sich mit mancher Opa-Rolle weidlich und zum Fremdschämen blamiert hat, liefert hier die Meisterleistung eines Mannes, der zwischen den Fronten steht, helfen will und es nur bedingt kann.
Wenn Max nun den Sohn, dem er nicht die „offizielle“ Behandlung zumuten will, schnappt und mit ihm einfach durch Amerika fährt, wird das Drehbuch schon recht Kino. Es gibt aber schöne Momente – nicht nur, dass man in der Mini-Rolle der Agentin von Max wieder einmal Whoopi Goldberg auf der Leinwand sieht. Eine alte Freundin (Vera Farmiga), die wirklich eine gute Seele ist, nimmt Max und Ezra (die natürlich von Familie und Polizei gejagt werden) kurzfristig bei sich auf, und wie ihre kleine Tochter über ihr Pferd einen Weg zu Ezra findet, ist nur eine berührende Szene inmitten von vielen. Man könnte manches (auch das HappyEnd, das der Film allen Beteiligten einigermaßen gönnt) für Kitsch halten, für abgegriffen, für überakzentuiert, aber die Schauspieler sind so großartig, die Regie von Tony Goldwyn so selbstverständlich, so gar nicht in Richtung falsche Sentimentalität und Tränendrüsen zielend, dass man dies nicht monieren will.
Vor allem, weil auf einer Ebene alles stimmt: Es geht um Ezra, es geht um die Frage, wie man mit einem geliebten Menschen umgeht, der vom Schicksal mit Außenseitertum geschlagen ist. Ob man sie ausschließt oder wie man sie integriert, wie sie mit den anderen leben können und wollen, ohne dass man sie verbiegt… und das alles ist bekanntlich nicht pauschal zu beantworten, steht aber als Frage da. In einem Film, der das Thema nicht verniedlicht,
Renate Wagner