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Film: EMILIA PEREZ

Schräges Genre-Mix

19.11.2024 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 21. November 2024 
EMILIA PEREZ
Frankreich  /  2024
Drehbuch und Regie: Jacques Audiard
Mit:  Zoe Saldaña, Karla Sofía Gascón, Selena Gomez u.a.

Schräges Genre-Mix

Auf der einen Seite soll es ein Musical sein. Auf der anderen geht es um Geschlechtsumwandlung. Und das Ganze spielt im Gangstermilieu. Und aus einem Verbrecher wird eine Menschenfreundin. Wie kann das zusammen gehen? Und warum?

Nun, die Warum-Frage beantwortet der französische Regisseur Jacques Audiard in diesem Film, der vor allem in Spanisch, in wenigen Szenen auf  Englisch gedreht wurde, nicht. Man will ihm nicht Berechnung unterstellen, aber er weiß sicher, dass er heutzutage mit einer „queeren“ Handlung bei Kritiken und auf Festivals, wo es Preise gibt, nichts falsch machen kann. Und die Rechnung ist schon teilweise aufgegangen – großer Erfolg in Cannes, bereits als Frankreichs Beitrag zum Auslands-„Oscar“ 2025 eingereicht.

Motto:  Je schräger, umso lieber. Genau so geht es auch zu.

Anfangs sieht man eine bildschöne Latina – Zoe Saldaña – durch das nicht sonderlich anregende Berufsleben in einer mexikanischen Anwaltskanzlei schreiten. Dafür singt und tanzt der Chor um sie herum, und sie singt gelegentlich mit – diskret, sympathisch, gar nicht „bühnenmäßig“: Jacques Audiard möchte offenbar unterstellen, dass es gewissermaßen selbstverständlich sei, zu singen. Die dazugehörige Musik stammt von Camille, die in Frankreich ein Popstar ist,  und ihrem Partner Clément Ducol. Was man hört ist diskret, angenehm und drängt sich nicht vor.

Und eines vorweg – obwohl sie nicht die Titelfigur ist, sondern der Haupthandlung gewissermaßen zusieht, ist Zoe Salanda als Rita Moro Castro – cool, professionell, aber doch ungemein sympathisch – die zentrale Figur des Films,

Diese ist „Emilia Perez“ und muss erst geschaffen werden. Da ist die seltsame – aber heutzutage offenbar nicht mehr seltene? – Idee eines mexikanischen Drogenbosses, der offenbar schon immer eine Frau sein wollte. Wenn er, denkt er, per Geschlechtsumwandlung in eine solche mutiert, kann er aus seinem Job auch aussteigen, ohne gefunden zu werden. Rita reist also erst nach Bangkok, um sich über eine solche Operation zu informieren, wird dann in Tel Aviv fündig. Kurz, aus Senor „Manitas“ Del Monte wird Emilia Perez. Manitas kommt leider bei einem tragischen Unfall ums Leben…

Das ist der relativ schnelle erste Teil des Films. Vier Jahre später in London kommt eine (sehr männliche) Frau auf Rita zu, wird von ihr erkannt und hat einen neuen Wunsch: Sie / er möchte ihre / seine Familie wieder haben. Rita bringt die Gattin Jessi und die beiden kleinen Kinder nach Mexico City, zu Emilia, die sich als  fürsorgliche Verwandte ausgibt und von der Gattin nicht erkannt wird (das Söhnchen ist  da schon ahnungsvoller, wenn er  in Emilias Armen nach „Papa“ schluchzt – da trieft der Kitsch nur so von der Leinwand herab).

Außerdem ist – ein Handlungselement von so starkem Tobak, dass einem nur die kitschigen Telenovelas einfallen  – Emilia auch als Mensch „verwandelt“ und will nun den Opfern, die er als Drogenboß auf dem Gewissen hatte, helfen… Ein wenig seltsam, die Verwandlung zum Edelmenschen, aber was wäre an diesem Film nicht seltsam?

Dass das alles nicht gut gehen kann, ist klar, zumal, wenn Jessi mit einem anderen Mann (sie hält sich ja für eine Witwe) ein neues Leben beginnen und Emilia verlassen will. Da geht etwas dramatisch-letal schief – oder doch nicht? Wieder, wie so oft in diesem Film, deckt die Musik so manches zu…

Titelheld, Titelheldin ist der / die spanische Transakteur Karla Sofía Gascón, und wenn es auch fraglios sehr männliche Frauen gibt, ganz kauft man ihm die Emilia doch nicht ab. Selena Gomez hingegen sehr wohl seine junge, blonde, verwirrte Frau, die für Hektik und Tragik des letzten Teiles sorgt. Das Ganze erinnert an Tarantino, Rodriguez und Latino-Trash. Ist in manchen Songs fast unerträglich künstlich– und schafft es doch, dass man gebannt zusieht.

Am Ende bleibt man erstaunt vor der Tatsache, wie der Regisseur die divergierenden Elemente dessen, was er sich da vorgestellt hat, doch zusammen bringen konnte… Nicht für jedermann, aber für jene, die es schräg und queer mögen.

Renate Wagner

 

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