Filmstart: 4. März 2022
DREI ETAGEN
Tre Piani / Italien / 2020
Regie: Gianni Moretti
Mit: Margherita Buy, Gianni Moretti, Alba Rohrwacher u.a.
Es beginnt mit einem schweren Unfall, der auf fahrlässige Tötung hinaus läuft, und schon das schlägt den Ton für den jüngsten Film von Nanni Moretti an. Der im nächsten Jahr auch schon Siebzigjährige, der noch immer als „zorniger junger Mann“ des italienischen Films in Erinnerung ist, lässt hier seine politischen Aussagen fast ganz beiseite (eine lautstarke Demo läuft da nur am Rande), In „Drei Etagen“ geht es ihm um – Familiengeschichten und -tragödien, am Beispiel von Menschen, die in einem dreistöckigen Haus in Rom nebeneinander leben.
Ungeachtet dessen, dass Moretti hier einen Roman des israelischen Autors Eshkol Nevo verfilmt, hat er die Ereignisse ganz in die italienische Welt und Mentalität versetzt. Daneben geht es sicher auch darum, vom Baby bis zu den alten Leuten sowohl durch die Generationen wie auch durch die sozialen Schichten zu wandern. Dabei wird klar, dass jene, denen es besser geht, es nicht wirklich besser haben. Was macht ein wohl bestalltes Richter-Ehepaar (Nanni Moretti selbst spielt Vittorio, Margherita Buy seine Frau Dora), wenn es ihr Sohn ist (Alessandro Sperduti als Andrea), der nächtlich besoffen den schweren Unfall mit allen möglichen Folgen (u.a. eine tote Frau) verursacht hat, wobei er ins Parterre des eigenen Hauses hinein gekracht ist? Das kann eine Familie schon einer schweren Zerreißprobe aussetzen.
Lucio (Riccardo Scamaracio) und Sara (Elena Lietti) wiederum verdächtigen einen alten Mann im Haus, ihrer kleinen Tochter zu nahe zu kommen, und der Verdacht wird zur zerstörerischen Manie. Die alten Leute, Renato (Paolo Graziosi), der Verdächtigte, und Giovanna (Anna Bonaiuto), haben wiederum in der minderjährigen Charlotte (Denise Tantucci) eine Enkelin, die Lucio ins Auge sticht… die Folgen kann man sich denken.
Monica (Alba Rohrwacher) hat gerade ein Baby bekommen, ist meist allein, denn ihr Gatte Giorgio (Adriano Giannini) arbeitet auswärts, sie ist von Seelenqualen geplagt und nicht unempfindlich für die Avancen ihres Schwagers Roberto (Stefano Dionisi). Kurz gesagt, ein etwas überladenes Personengeflecht, und klischeebehaftet zudem.
Darüber hinaus springt der Film mit zweimal fünf Jahren über den Zeitraum von zehn Jahren hinweg (Kinder-Rollen sind mehrfach besetzt), und da begibt sich vieles, das ziemlich „kinomäßig“ anmutet, so viel wird wirkungsvoll geweint und gelitten.
Keine Frage, dass Moretti „Alltag“ zeigen will mit all seinen Problemen, Kümmernissen und Tragödien, aber die zweifellos angestrebte Einfachheit der Schilderung gelingt nicht wirklich, die Geschichte „tremoliert“ stets ein wenig in ihrem Untergrund, ist allzu bedeutsam aufgeladen und mit allzu viel Musik unterlegt. Wenn am Ende auf der Straße getanzt wird, fühlt man sich als Zuschauer ein wenig manipuliert. Happy End? Eher Melodram.
2021 wurden die „Drei Etagen“ in Cannes gezeigt, im Gegensatz zu früheren Jahren verließ Moretti das Festival ohne Preis…
Renate Wagner