Filmstart: 22, März 2024
DREAM SCENARIO
USA / 2023
Drehbuch und Regie: Kristoffer Borgli
Mit: Nicolas Cage, Julianne Nicholson u.a.
Raus aus meinem Traum!
Nicolas Cage, der heuer im Jänner 60 wurde, hat eine Achterbahn-Karriere hinter sich. Sein „Oscar“ für einen Alkoholiker in „Leaving Las Vegas“ liegt fast drei Jahrzehnte zurück, er hat sich von anfänglicher harter Action verabschiedet und dann wohl viel Geld mit historisierenden Abenteuerfilmen gemacht, aber darstellerisch Bemerkenswertes war lange nichts darunter. In den letzten Jahren hat er sich als Dracula-Parodist („Renfield“) gezeigt oder als abgehalfteter Schauspieler („Massive Talent“), aber so richtig aufmerksam macht er erst jetzt wieder auf sich – als alter, zerknitterter Uni-Professor für Biologie, reizlos mit Halbglatze, ein Loser, wenn es je einen gab, der in dem Film des jungen Norwegers Kristoffer Borgli in eine absolut abstruse Situation gerät.
Die Idee, dass dieser unglückselige Paul Matthews beginnt, in den Träumen von zahlreichen Menschen aufzutauchen – erst seiner Tochter, dann seiner Studenten, dann seiner Bekannten, ist eigentlich nicht zu durchdenken, aber sie ist auch nicht das Thema. Es wird einfach als (wenn auch noch so unwahrscheinliche) Tatsache hingestellt, um das zu behandeln, worum es dem Autor / Regisseur geht: Wie nämlich ein Nobody durch die Sozialen Medien („going viral“ ist das Wort) auf einmal zur Berühmtheit wird, um dann ebenso brutal abzustürzen, wie er kometenhaft hoch katapultiert wurde. Und Paul Matthews ist sicher nicht der Mann, der damit umgehen könnte – was übrigens vermutlich niemandem gelänge.
Erst das Staunen der Mitwelt, stellen sich bald Neid und Gehässigkeiten ein, der arme Paul erscheint in Sex- und Gewaltträumen und ist über kurz oder lang der klassischen Hexenjagd ausgesetzt, die man in unserer Welt immer wieder erlebt.
Es gibt dazu originelle Sequenzen – die Studentin, die die Traumromanze mit ihm „in echt“ nachspielen will, die eifersüchtige Ehefrau, die sich ihren Traum mit ihm bestellen möchte (und später, man versteht es nicht wirklich, von ihm abfällt, als der Druck zu groß wird), und vor allem die Szenen mit den Managern, die ihn ausbeuten wollen (vielleicht könnten sie arrangieren, dass Obama von ihm träumt, das wäre doch etwas) – und die schließlich sein Buch (es handelt nicht von Biologie, wie er es eigentlich wollte) nicht unter dem Titel „Dream Scenario“, sondern als „Ich bin in Deinen Alptraumen“ heraus geben…
Und es ist darstellerisch wirklich bemerkenswert, wie Cage als der kleine Niemand, um den sich nie jemand gekümmert hat, nun versucht, mit der Situation umzugehen. Und seine Verzweiflung, wenn man ihn, das Opfer dessen, wofür er absolut nichts kann, zum Täter machen möchte, schneidet ins Herz… Es gab eine „Golden Globe“-Nominierung als bester Hauptdarsteller in einer Komödie, und wenn Paul Giamatti in „The Holdovers“ nicht gewesen wäre, hätte er den Preis wohl bekommen.
Ja, über Träume wird in dem Film eine Menge geschwatzt, interpretiert, philosophiert. Wie es möglich sein sollte, dass zahllose Menschen von ein- und demselben Niemand träumen – die Erklärung bleibt der Drehbuchautor / Regisseur schuldig. Aber, wie gesagt, darum ist es ihm auch nicht gegangen. Was er erzählen wollte, hat er mit leichter Hand absurd, satirisch und mit der Hilfe von Nicolas Cage berührend erzählt. Und für diesen ist es schön, wenn man im Alter noch einmal so interessant wird.
Renate Wagner