Filmstart: 28. April 2022
DOWNTON ABBEY II: EINE NEUE ÄRA
Downton Abbey: A New Era / GB / 2022
Regie: Simon Curtis
Mit: Maggie Smith, Hugh Bonneville, Elizabeth McGovern, Michelle Dockery, Laura Haddock, Hugh Dancy, Dominic West, Nathalie Baye u.a.
Wer „Downton Abbey“ kennt, wer sich sechs Staffeln, also 52 Folgen lang, kein Detail aus dem Leben der Mylords und Myladies von Grantham, kurz, den Crawleys, entgehen ließ, dem muss man nichts erzählen. Wer die Serien-Ware verschmäht hat, dem kann man nichts erklären, der scheitert an der Personenfülle, die nun schon zum zweiten Mal auf die Kinoleinwand gehoben wurde.
Nachdem der erste Spielfilm 2019 so überraschend viel Geld eingespielt hat, musste es eine Fortsetzung geben – und so lange Julian Fellowes (der schon die Serie erfunden hat) die Drehbücher schreibt, ist wohl kein Ende abzusehen.
Der erste Film, der um den Besuch des englischen Königspaaras auf dem Schloß der Crawleys kreiste, war inhaltlich ein wenig dünn gewesen. Man kann bekanntlich aus seinen Fehlern lernen, also setzte der Drehbuchautor diesmal auf zwei Handlungsstränge, die parallel laufen.

Penelope Wilton als Isobel Merton und Maggie Smith as Lady Violet
Im ersten geht es um die „Königin“ der Serie, um Maggie Smith als die schon sehr betagte Lady Violet Crawley, Dowager Countess of Grantham (sie verdient alle Titel der Welt, so pompös sie auch sein mögen). Vor sehr, sehr langer Zeit hatte sie – obwohl jung verheiratet – eine Romanze mit einem französischen Marquis. Und dieser hat ihr nun eine Villa an der Cote d’Azur vermacht. Die Witwe des Marquis will das anfechten, der Sohn des Marquis (Jonathan Zaccaï) möchte offenbar den Willen des Vaters erfüllen und lädt die Crowleys ein. Da sie, aus Gründen, die noch darzulegen sind, gar nicht so gern daheim bleiben, reisen also Lady Violets Sohn (Hugh Bonneville) und seine Frau (Elizabeth McGovern), gefolgt von einer Schar Verwandter, nach Südfrankreich.
Diese hier unnötigen Familienangehörigen, von denen es viel zu viele gibt (eine der Schwächen des Films ist das Überborden der Gesichter, für die man keine Funktion hat und als Uneingeweihter auch keine Ahnung, wer sie eigentlich sind) werden von der einzigen in diesem Zusammenhang wichtigen Person begleitet: dem Butler Mr. Carson (Jim Carter), der den Franzosen zeigt, was englische Haltung ist, auch wenn er sich in der Sommerhitze fast tot schwitzt…
Während Nathalie Baye mit versteinerter Miene als vor Wut sprühende, aber die Haltung bewahrende Witwe einen Großauftritt hat, wird der Lord von dem strahlenden Marquis mit einer Nachricht bedacht, die ihn tief erschüttert: Er ist nämlich neun Monate nach Mamas Romanze zur Welt gekommen, der Franzose will den Halbbruder ans Herz drücken, diesem fällt es jedoch in die Hose bei der absolut schrecklichen Idee, er könne anstelle eines Lords ein französischer Bastard sein… Nun, das alles löst sich später, und außer dieser Pointe bringt der französische Ausflug für den Film nicht viel.
Weit ergiebiger ist die Handlung daheim. Da musste sich der Lord nämlich – nachdem man ihm gezeigt hat, wie das Wasser durchs Dach tropft – entschließen, sein Schloß einer amerikanischen Filmgesellschaft zu vermieten, die hier einen Film drehen will. Und da passiert nun wirklich eine Menge.
Lady Mary, die Tochter des Lords und mittlerweile Herrin auf Downton Abbey (sehr nobel: Michelle Dockery), geht dem amerikanischen Regisseur Jack Barber zur Hand, als sich dieser (auf ihren Rat) entschließen muss, vom Stummfilm auf den Tonfilm umzusteigen (man schreibt 1928). Hugh Dancy spielt schmachtende Verliebtheit in Lady Mary sehr schön, und sie widersteht ihm entzückend edel (obwohl von ihrem Ehemann den ganzen Film lang nichts zu sehen ist – mit dem Automobil irgendwo in Istanbul, heißt es, er liebt Autos und Geschwindigkeit mehr als alles andere…)
Aber auch der entsetzlich blonde Stummfilmstar Myrna Dalgleish (Laura Haddock) hat eine Rolle, die sich lohnt – nämlich die einer ordinären Person mit schrecklich quäkend-hässlicher Stimme und Sprache, weshalb sie von Lady Mary synchronisiert werden muss. Mit Sicherheit eine der hübschesten Szenen des Films ist es, wenn sich der Star wütend zurück zieht und nicht mehr mitspielen will – und Dienstmädchen Daisy Parker (die hinreißende Sophie McShera) genau wittert, dass sie es bei ihr mit einem Geschöpf aus den unteren Schichten zu tun hat und sie auf den Boden der Realität zurück holt…
Und da ist auch noch der männliche Star des Films, Guy Dexter (Dominic West), der dem attraktiven Butler Barrow (Robert James-Collier) so penetrant Avancen macht, dass es schon peinlich ist. Am Ende nimmt er ihn mit, und er wird wohl nicht nur Sekretär, sondern Mann für alles sein…
Wie immer spielt auch das Personal (lauter nette, wohl wollende Leute) eine große Rolle, die drollige Köchin Mrs. Patmore (Lesley Nicol), für die es ebenso ein Happyend gibt wie für ein weiteres Paar aus dem dienenden Stand… Und wenn dann die Statisten ausfallen und die Dienerschaft auf Downton Abbey gebeten wird, sich in Herrschaftskleidern zum Souper für eine Filmszene nieder zu lassen – ein Schelm, wer dabei nicht schmunzelt.
Nun muss nur noch geklärt werden, ob der Lord wirklich ein Lord ist, dann darf Lady Violet sich verabschieden – sprich: Maggie Smith eine der hinreißendsten Sterbeszenen hinlegen, an die man sich erinnert. Und wenn das Begräbnis auch traurig ist – eine „schöne Leich’“ ist, wie die Wiener am besten wissen, auch für ein Finale eine schöne Sache.
Was hat man also über zwei Stunden lang gesehen? Regisseur Simon Curtis zeigte gleicherweise Sinn für Opulenz und vereinzelte darstellerische Glanzlichter, für schwelendes Pathos und trockenen britischen Humor – dass Lady Violet nie um eine bissige Bemerkung verlegen war, macht sie nur schlagfertig, nicht fies. Dazu Schlösser und Villen, englische Parks und ein bisschen französische Riviera. Elegante Herrschaften in schönen Gewändern (im Fall der braven Dienerschaft immer noch adrett), durchwegs gutes Benehmen und fast nur noble Charaktere. Eine Welt, in der alles noch seinen Platz hatte und niemand sich auflehnte. Höchst betulich das Ganze und natürlich höchst beschönigend. Das, was Leser von bunten Blättern sich wünschen. Es wird sogar ausgesprochen (angesichts der Filmdreharbeiten im Schloß): Hat nicht jeder Sehnsucht nach den Träumen, wie die Traumfabrik Film sie liefert?
Die deutschen Kollegen haben bei der Prädikatisierung zu „wertvoll“ hoch gegriffen. Die Österreicher begnügten sich mit „sehenswert“. Das ist es, für jene, die so etwas wollen, und es reicht auch.
Renate Wagner