Filmstart: 17. Dezember 2021
DON’T LOOK UP
USA / 2021
Drehbuch und Regie: Adam McKay
Mit: Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep u.a.
In was für einer Welt leben wir? So mancher stellt sich diese Frage, aber Regisseur Adam McKay ist einen entscheidenden Schritt weiter gegangen: Er hat einen Film darüber gemacht. Eine gewaltige Satire, bei der man hellauf lachen kann – und dabei das Fürchten lernt. Von Netflix ins Kino, wie so viele Filme heutzutage – glücklicherweise. Und für den nicht mehr jungen, nicht mehr schönen Leonardo DiCaprio sollte da ein „Oscar“ winken.
Was können wir noch glauben? In einer Welt, die programmatisch mit Fake News zugeschüttet wird, gar nichts mehr. Der Durchschnittsbürger ist der Verlierer in der Suche nach Erkenntnis – aber auch die „echte“ Wissenschaft, die („Don’t Look Up“, ins Weltall nämlich, aber sie tun es trotzdem, es ist ihr Beruf) einen Kometen entdeckt. Der nach ihren Berechnungen unweigerlich in einem halben Jahr mit der Erde zusammenstoßen und diese auslöschen wird…
Dass die Welt „auf kan’ Fall mehr lang, lang, lang, lang, lang, lang“ steht, das wissen alle Theaterfreunde aus Nestroys „Lumpazivagabundus“, wo man auch auf die baldige und letale Ankunft eines Kometen wartet, dies aber eher wienerisch-resigniert, achselzuckend tut.
Wenn man den Fall nun durchdenkt, wie Adam McKay, bekannt für schräge Filme, es hier als sein eigener Drehbuchautor tut: Wer würde den Wissenschaftlern glauben, was er nicht glauben will? Wer würde sie nicht für Spinner, für Verschwörungstheoretiker halten, für die üblichen Verrückten, die die Welt belästigen?
McKay erzählt, was Dr. Randall Mindy und Kate Dibiasky, gäbe es sie wirklich, zweifellos passieren würde. Leonardo DiCaprio, Brille, bärtig, etwas füllig, ungepflegt, die klischierte Nerd-Ausgabe eines versponnenen Wissenschaftlers, und Jennifer Lawrence als Frau, die zweifellos nur durch Fernrohre und auf Computerbilder starrt und nie im Spiegel ihre Frisur oder ihr Aussehen kontrolliert, schaffen es trotzdem, dass man ihnen glaubt – als Kinobesucher. Denn sie sind kompetent, engagiert und, was angesichts ihrer Entdeckung logisch ist, zu Tode erschrocken. Was nun?
Ja, was nun passiert, das ist unsere blöde, oberflächliche Medienwelt mit ihren geistig schon halb toten Untertanen, die sich nun (filmisch) entwickelt. Da haben die USA also eine Präsidentin, Meryl Streep spielt sie blond gelockt und hat nur ihre Umfragewerte im Kopf (und soll ein weiblicher Trump sein, ohne es allzu billig zu geben). Man erinnert sich wie stockstarr einst George W. Bush auf die Nachricht von 9/11 reagiert hat, wie seine Mitarbeiter ihm sagen mussten, was er zu tun hat. Auch Präsidentin Janie Orlean ist hilflos und dumm (und wie die Streep das überspielt, das ist wieder einmal hohe Streep-Klasse), sie möchte am liebsten nichts tun und die Sache aussitzen (war das nicht der Trump-Weg durch die Pandemie?).
Aber natürlich sind da die Berater (auch nicht die hellsten Köpfe) und die schnell herbei geholten „Fachleute“, deren Gefasel man nur kopfschüttelnd zuhören kann (wenn man den Kometen im All sprengt, kann man mit den kleinen Stücken, die dann auf die Erde kommen, gut umgehen…). Mark Rylance sudert mit sanfter Stimme erschreckend Blödsinn.
Natürlich überdreht Adam McKay im Verlauf der Handlung, das ist sein gutes Recht, wenn er eine Geschichte auf den Punkt bringen will. Er geht dabei gar nicht so sehr auf die Sozialen Medien los (wie sie es verdienten) als auf das Fernsehen, das diese Wissenschaftler als Gäste für ein paar Minuten einschiebt, während nebenbei tränenreiche Beziehungsgeschichten verhandelt werden. Blöde Fragen und milde Skepsis ist alles, was die Moderatoren für die verzweifelten Wissenschaftler übrig haben, die nicht mehr wissen, was sie sagen sollen. „Exploding stars, that sounds exciting!“ strahlt man ihnen ins Gesicht…und alle flüchten in erleichtertes Gelächter.
Freilich, wenn sich der kommende „Weltuntergang“ medial verbreitet, dann sind auch die Religionen gefragt und die Massengebete, Spendenaufrufe werden erlassen, Hilfspakete geschnürt (es kommt einem alles so bekannt vor), man fliegt ins All und sieht sich die Sache an, das ganze sei schließlich auch eine „astonishing opportunity“, meint Frau Präsidentin, und von Geld ist immer öfter die Rede. Es kommt angesichts aufgehetzter Massen zu Demonstrationen, Raufereien, Randalen, und langsam gleitet McKay in ein Katastrophenfilm-Szenario, dass eigentlich zu billig ist.
Und er findet (der Film ist zweieinhalb Stunden lang) kein Ende. Er hätte viele Gelegenheiten dazu und nützt keine. Sobald er sich darein verliebt hat, dass die Welt aus ihrem Untergang eine Show macht, kommt er da kaum noch heraus..
Aber die Geschichte hat ihren Wert, auf vielen Ebenen. DiCaprio ist einer der wenigen Schauspieler, der sich zu bemühen scheint, nicht so viel wie möglich, sondern besser nur Substanzielles zu machen. Das ist ihm mit diesem Film gelungen. Er spielt Stadien der Fassungslosigkeit bis zu einer wahren Panik-Attacke, einem Verzweiflungsausbruch, der unter die Haut geht, wenn er begreift, dass die Schlacht verloren ist: Die Menschheit wird nicht zur Erkenntnis kommen. Sie wird sich, dideldum, ihrem Untergang mit Fernsehunterhaltung entgegen blödeln.
Aber vorher dürfen die, die vielleicht doch etwas verstehen, in diesem Film erkennen, dass der Untergang schon da ist. Dass der Komet eines Tages nur auslöschen wird, was kaum noch Wert hat.
Dass manche Kritiker diesen Film übrigens als „Weltuntergangs-Comedy“ abgetan haben, bestätigt alles, was er aussagt… die Menschheit will nicht sehen. Will nicht nachdenken. Nicht überlegt handeln. Am besten, man macht sinnlosen Wirbel. Wie wir es auch derzeit erleben.
Renate Wagner