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Film: DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS

04.05.2022 | FILM/TV, KRITIKEN

film doctor strange 2 reviews breit~1

Filmstart: 4. Mai 2022 
DOCTOR STRANGE IN THE MULTIVERSE OF MADNESS
USA  / 2022 
Regie: Sam Raimi
Mit: Benedict Cumberbatch, Elizabeth Olsen, Rachel McAdams, Benedict Wong, Xochitl Gomez u.a.
Österreichisches Prädikat: sehenswert

Filme über Comic-Superhelden sind nicht jedermanns Sache. Die Mischung aus Sci-Fi und kindlicher Mentalität, aus verworrenen, eigens erfundenen Welten und den Mythen, aus denen sie gespeist werden, ergibt meist ein Kuddelmuddel, das nicht jedermann interessiert. Aber es gibt Fans, und diese millionenfach in aller Welt, die mit den „Schundhefteln“, wie die vorigen Generationen sagten, aufgewachsen sind und sich in diesen Kunstwelten bewegen, als wären es die klassischen Götter- und Heldensagen. Bei denen muss man sich übrigens auch auskennen, um wirklich etwas davon zu haben.

Der Figuren-Kosmos dieser Welten ist schier unübersichtlich, aber in den Comic-Verfilmungen steckt viel Geld, also wird ein Held nach dem anderen hervorgeholt und in den Mittelpunkt eigener Filme gestellt. Dr. Strange, der aus der Spiderman-Welt stammt, ist ein Magier und war schon einmal Filmheld eigenen Rechts. Nun gibt es den zweiten Film mit ihm, inszeniert von jenem Sam Raimi, der immerhin drei Spiderman-Filme gemacht hat – eher konventionell und nicht sehr aufregend. Das kann man von diesem „Dr. Strange“ nicht sagen.

Der Titel allein, Doctor Strange in the Multiverse of Madness, verkündet zwei Wahrheiten über den Film. Zuerst die „Madness“, gleicherweise mit „Verrücktheit“ wie „Wahnsinn“ zu übersetzen. Das irre Karussell, das sich hier knapp über zwei Stunden auf der Leinwand dreht, ist brillant gemacht, geradezu geschmeidig, wie eine perfekte Choreographie, Mensch und Digitales gehen spurlos in einander über, Kämpfe, Zerstörungen, Feuer, wunderbar Bilder wie Fraktale, Computerzauber vom Feinsten – kurz, man kommt kaum zum Luftholen. Was allerdings zwei nicht so positive Folgen hat: Erstens wiederholen sich die Mittel  und die Szenen immer wieder, und zweitens macht solch ein Overkill müde. Wenn man aber nicht erschlagen „abschaltet“, sondern ganz dabei ist – ja, dann geht es schlechtweg ab.

Zweites Stichwort. „Multiverse“. Wir haben ja schon im Physikunterricht gehört, dass es angeblich parallele Welten gibt, weil sich das Universum, wie es heißt, immer spaltet. Sei’s drum, wir haben es schon in der Schule nicht verstanden, und im Leben spielt es ja eigentlich keine Rolle. Aber im Film. Da gibt es nicht nur ein Universum, nicht nur zwei, sondern viele, und unser Held gleitet, wie wir hören, von einem ins andere (mal auf der realen Welt, mal irgendwo sonst – wo? Was macht das schon?). Das muss man auch nicht verstehen, denn Filme dieser Art haben sich noch nie durch besonders logische Drehbücher ausgezeichnet. Es ist nur ganz amüsant, wenn Strange aus einem Universum dem Strange aus einem anderen gegenüber steht, und dann müssen sie sich vernichten? Oder doch nicht. So leicht gehen diese Helden mit magischen Kräften ja nicht unter…

Wenn es eine nacherzählbare Handlung gibt, kann man kurz sagen, dass Dr. Strange (wie jeder Superheld, der auf sich hält) sein „normales“ Leben verlässt, um seinen roten Mantel auszubreiten und zu Orten mit Krisen zu fliegen, wo die Hilfe der „Guten“ gebraucht wird. Da kämpft er gleich zu Beginn gegen ein riesiges, einäugiges Krakenmonster… Dabei stehen ihm „Wong“ und „America Chavez“ bei (man würde schlicht sagen: ein Chinese und eine Latina mit Indianereinschlag, aber natürlich ist der Darsteller Brite und die junge Dame Amerikanerin, weil sich jeweils schon die Eltern auf den Weg in die neue Heimat gemacht haben. Aber für die politisch korrekte Diversität bringen sie genügend Komplementärfarben zu den „weißen“ Hauptdarstellern ein). Allerdings vergisst das Drehbuch weitestgehend auf die beiden wieder (für Wong gibt es ein paar wenige „chinesische“ Szenen in irgendeinem Universum), denn hauptsächlich geht es um den Kampf von Dr. Strange gegen die „Scarlett Witch“, und das macht mehr oder minder die  Geschichte aus, nur dass man ihm noch gelegentlich ein Love Intererst in Gestalt einer von ihm geliebten Miss Palmer zur Seite stellt. Ein Kurzauftritt von ein paar Marvel.Kollegen ist nur in der Gestalt von Professor Xavier interessant, weil Patrick Stewart schließlich eine lebende Legende im Rollstuhl ist…

Womit man bei den Darstellern wäre. Es gibt Leute, die gehen auch wegen der Schauspieler ins Kino (bzw. sie gehen nicht hin, wenn sie niemanden kennen oder wenn die neuen leeren Gesichter sie nicht interessieren). Wer wirklich feine Schauspielkunst liebt, kann seit mehreren Jahren an Benedict Cumberbatch nicht vorbei gehen. Jene unnachahmliche Ironie, mit der er sich selbst als „Sherlock“ zum Weltstar katapultierte, bringt er auch hier mit (und sie tut dem Film gut). Abgesehen davon, dass er die berechtigte Frage, was ein Schauspieler wie er in solch einem Film sucht, einfach damit beantwortet, dass er zeigt, wie viel Schauspielkunst man auch hier einbringen kann – immer wieder überraschen ganz köstliche Details. Wer ihn übrigens als Frankensteins Monster gesehen hat (im Theater in London), der wird davon auch hier etwas finden, denn für den alternativen Dr. Strange haben die Visagisten Bemerkenswertes geleistet.

Mithalten mit dem, was Cumberbatch kann, vermag natürlich niemand, aber Elizabeth Olsen, die sich von der freundlichen Frau und Mutter zur erschreckenden Hexe wandelt, ist eine starke Gegenspielerin. Hingegen kann Rachel McAdams, geschminkt zu einer leblosen Puppe, als Freundin des Helden nicht viel zeigen. Und noch viel weniger Xochitl Gomez als  America Chavez – unverständlich, dass Amerikas Kritiker sie zum „Darling“ des Films gekürt haben, denn von ihr kommt rein gar nichts. Da ist Benedict Wong als chinesischer Zauberer schon präsenter.

Aber, wie gesagt, dieser zweite Dr. Strange-Film hat zwei Atouts: die rasant-brillante Machart des Regisseurs und den Hauptdarsteller. Mehr braucht es nicht, und da wird man wegen einer gewissen Einförmigkeit der Form und inhaltlichem Chaos nicht lästern. Der Unterhaltungswert rangiert für jene, die grundsätzlich diese Art von Filmen schauen, auf einem relativ hohen Niveau.

Renate Wagner

 

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