Filmstart: 6. Dezember 2019
DIE ZWEI PÄPSTE
The Two Popes / USA, Netflix / 2019
Regie: Fernando Meirelles
Mit: Anthony Hopkins, Jonathan Pryce, Juan Minujín u.a.
Sie sind zwei große Persönlichkeiten unserer Zeit. Der Deutsche Joseph Ratzinger, brillanter Wissenschaftler, der – als er zum Oberhaupt der Katholischen Kirche gewählt wurde – die „Bild“-Schlagzeile provozierte: „Wir sind Papst!“ Und der Argentinier Jorge Mario Bergoglio, von dem man weniger weiß, der aber die Herzen der ganzen Welt gewann, als er nach seiner Wahl zum Papst vor die versammelte Menge trat und ihr „Buena sera“ wünschte. Benedikt XVI. und Franziskus I. Zwei Päpste. Nebeneinander – der emeritierte und der „regierende“. Ein Film spannt sie auf faszinierende Weise zusammen.
Der neuseeländische Autor Anthony McCarten hat schon so gewichtige historische Momente bearbeitet wie das Leben von Stephen Hawking („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) oder Churchills „Dunkelste Stunde“, ist also verbürgt für die seriöse Aufbereitung von Geschichte. Und in diesem Fall der Gegenwart – denn die beiden Herren leben ja noch. McCartens Buch ist bei Diogenes erschienen. Den Film hat Netflix gemacht und keinen Aufwand gescheut. Das Ergebnis: Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden…
Die Geschichte bietet eine lange Begegnung zwischen den beiden Herren – der eine noch Papst, der andere noch Kardinal –, die in den Räumen des Vatikans und in Castel Gandolfo stattfinden (drollig die Szene, wo sie allein in der Sixtinischen Kapelle sind, aber von den Touristen vertrieben werden). Die Handlung unterstellt, dass Ratzinger erst abtrat, als er sich der Eignung Bergoglios für seinen Nachfolger sicher war. Und das, obwohl – oder weil – sich in Gesprächen herausgestellt hat, wie verschieden ihr Zugang war, die Katholische Kirche im 21. Jahrhundert zu führen. Immer noch nach streng konservativen Ansichten der eine, fortschrittlicher der andere…
Wichtig sind für den Film die Rückblenden, die sich nie auf Ratzinger beziehen (der hat sein Leben zwischen Bibliotheken, Hörsälen und dem Vatikan verbracht), sondern auf Bergoglio, den Argentinier, von dem man nicht viel weiß (es gibt auf Deutsch keine einzige Biographie über ihn). Man weiß nur, dass die Argentinier selbst ihm gegenüber zurückhaltend sind – bedenkt man den Kult, den die Polen mit Johannes Paul II. getrieben haben, so findet man etwa in Buonos Aires kaum irgendwelche Zeichen, dass man immerhin das Oberhaupt der Christenheit gestellt hat… Tatsächlich fiel ein großer Teil von Bergoglios Leben als Priester in die Zeit der Militärjunta, wo Kirchenmänner zu Tausenden gefoltert und getötet wurden. Es wird nicht völlig klar, mit welchen Konzessionen Bergoglio überlebte, jedenfalls zeigt sich sein jüngeres Ich (eindrucksvoll: Juan Minujín) gemartert von Gewissensbissen und Verzweiflung…
Aber das Hauptgeschehen findet im Vatikan statt. Der Kardinal von Buenos Aires ist nach Rom gekommen, um Papst Benedikt XVI. sein Rücktrittsgesuch zu überreichen. Doch dieser will davon nichts wissen. Vielmehr tastet er sich in Gesprächen voran – nicht über Glaubensfragen, da haben die beiden wohl nichts zu besprechen. Wohl aber über die Situation der Katholischen Kirche, deren Problemen sich Ratzinger nicht mehr gewachsen fühlt.
Das Bemerkenswerte des Films besteht darin, dass er diese beiden Ikonen der Gegenwart auf die menschliche Ebene führt, ohne dass Regisseur Fernando Meirelles irgendetwas billig ausschlachten würde – nicht einmal, wenn sie gemeinsam Pizza essen. Wenn der Argentinier dem Deutschen ein paar Tango-Schritte zeigt. Wenn Ratzinger Klavier spielt und zugibt, gern die Serie „Kommissar Rex“ zu sehen. Wenn die beiden (Bergoglio mit dem Fan-Schal um den Hals) gemeinsam vor dem Fernseher 2014 das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft sehen. Wenn der neue Papst (der Film zeigt zweimal eindrucksvoll Szenen aus dem Konklave) den Schweizer Gardisten vor seiner Tür bitten muss, ihm mit dessen Smartphone einen Flug zu buchen… weil es telefonisch nicht möglich ist: Die Telefonistin glaubt einfach nicht, dass sie mit dem Papst selbst spricht…
Vieles davon scheint allzu populär, aber nichts davon kommt billig von der Leinwand. Weil man nicht teurer und in diesem Fall besser hätte besetzen können: Anthony Hopkins als der körperlich, aber nicht geistig hinfällige Papst Benedikt, Jonathan Pryce als der argentinische Kardinal, auf den die Christenheit so viele Reform-Hoffnungen gesetzt hat. Dass er sie nicht eingelöst hat, wäre ein anderer Film. Dieser konfrontiert zwei Persönlichkeiten, die in dieser Darstellung so dicht und „echt“ werden, dass man das Gefühl hat, sie persönlich zu kennen…
Renate Wagner