Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

Film: DIE NACHBARN VON OBEN

31.05.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

dukn nachbornvonoben a4 plakat 427x600 b~1

Filmstart: 2 Juni 2023 
DIE NACHBARN VON OBEN
Schweiz  /  2023 
Regie: Sabine Boss
Mit: Sarah Spale, Ursina Lardi, Roeland Wiesnekker, Max Simonischek, Sarah Spale

Er ist Musikprofessor, sie illustriert Kinderbücher, es ist eine lange Ehe, eine wie viele andere auch. Wenn man an der Fassade kratzt, kommen die beiderseitigen Frustrationen heraus und er zieht sich auf den Balkon zurück und sieht durchs Fernglas. Nur in den Himmel oder auch in anderer Leute Wohnungen?

Im allgemeinen leben sie vor sich hin, wenn nicht etwas Besonderes passiert.Das ergibt sich für Anna und Thomas, als sie die „Nachbarn von oben“ einlädt – warum, weiß wie wohl selbst nicht. Denn, um es offen zu sagen, diese machen beim Sex einfach zu viel Lärm. Provozierend für jene, die keinen mehr haben… Wahrscheinlich ist Anna nur neugierig auf „die da“.

Es müssen nicht verschiedene Völker sein, dass die „Kulturen“ an einander krachen. Weltanschauungen tun es auch. Die braven Bürger. Und die gar nicht Braven, die einfach alles tun, ausprobieren, exekutieren, was ihnen Spaß macht. Darum geht es bei den Nachbarn von oben, die für Anna und Thomas ziemlich schockhaft über sie hereinbrechen, mindestens eine Generation jünger und völlig ungehemmt. Dabei geben sich die beiden, Lisa und Salvi, sie Psychologin, er Feuerwehrmann, ganz freundlich und unaggressiv … Aber sie bieten auch an, was die bürgerliche Normalität, die es vermutlich immer noch gibt, in leichte Schockstarre versetzt. Gruppensex, einfach so?

Aber – ist man nur entrüstet, wie Thomas anfänglich, oder auch ein wenig neidvoll wie Anna? Was will diese Vier-Personen-Komödie von Drehbuchautor Alexander Seibt und Regisseurin Sabine Boss eigentlich erzählen? Geht es nur um das Bürgerschrecken, um das Lachen über deren Verklemmtheit und Engstirnigkeit? Vielleicht gar um eine tief schürfende Analyse bürgerlicher Alltagsfrustrationen? (Dazu riecht das Ganze zu sehr nach „Drehbuch“ in Richtung Pointe.)

Oder soll es ein „Ratgeber“ sein, sich zu öffnen – denn genau das tut unser „altes“ Pärchen, sie zuerst, er später (und eigentlich peinlich), während die beiden Jungen nur als Katalysatoren dienen. Sie sind, wie sie sind, und bleiben auch so.

Man kann an diesem Schweizer Film, wenn er auch gewissermaßen ratlos hinterlässt (also fällt man wohl selbst in die Kategorie „Thomas vor der Erleuchtung durch den Sex“), immerhin die Schauspieler bewundern. Drei gebürtige Schweizer und ein dort domestizierter Schauspieler ergeben ein darstellerisch luxuriöses Quartett.

Perfekt im Zusammenspiel des „Auseinander“, das sie anfangs spüren lassen, sind Ursina Lardi als Anna (so freundlich, höflich) und Roeland Wiesnekker als Thomas (so skeptisch, dermaßen den Grimm in sich hinein fressend). Max Simonischek, optisch immer viel „dämonischer“ als sein verstorbener Übervater, der in Zürich aufgewachsen ist, spielt den lockeren Verführer mit charmant teuflischer Attitüde, aber besonders köstlich ist Sarah Spale als Lisa, der das überfreundliche Gutmenschentum mit Psychoratschlägen geradezu aus den Knopflöchern tropft. Die reizenden Menschen, die eigentlich unerträglich sind.

Ist es vielleicht doch eher eine Satire als ein ernst gemeinter Themenvorschlag (mit allzu billiger Lösung)? Das bekommt man nicht heraus. Schließlich sind die Schweizer ja auch ein Völkchen für sich. Und dazu noch ein Hinweis: Es gibt eine „Originalfassung“ in Schweizerdeutsch. In die sollte man besser nicht geraten, sonst kann man die ganze Zeit Untertitel lesen wie in einem total fremdsprachigen Film… Und die Ratlosigkeit wird noch größer.

Renate Wagner

 

Diese Seite drucken