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Film: DIE KÖNIGIN DES NORDENS

29.12.2021 | FILM/TV, KRITIKEN

köönifin dees nordens

Filmstart: 30. Dezember 2021 
DIE KÖNIGIN DES NORDENS
Margrete den første / Margrete: Queen of the North / Skandinavisch-europäische Co-Produktion / 2021
Regie: Charlotte Sieling
Mit: Trine Dyrholm, Morten Hee Andersen, Søren Malling z.a.

Wenn die derzeitige Königin von Dänemark Margarethe II. ist, müsste man sich doch die Frage nach der ersten Königin dieses Namens stellen, zumal aktive Herrscherinnen ja in der Vergangenheit äußerst rar (und im allgemeinen entsprechend berühmt) waren. Jene Margrete (1353-1412); der das Kunststück gelang, die rivalisierenden Königreiche Skandinaviens zu vereinigen, sollte wirklich bekannter sein. Dieser Film der dänischen Regisseurin Charlotte Sieling mag daran international etwas ändern – Skandinavien weiß, was es an der Dame hatte.

Sie war die Tochter des dänischen Königs und erbte dessen Krone, sie wurde als Zehnjährige mit dem Norweger-König verheiratet und regierte nach dessen Tod im Namen ihres Sohnes Olav II. Håkonsson. Im Rahmen der so genannten „Kalmarer Union“ nahm sie auch die schwedische Krone an, hatte die drei Wahlkönigtümer damit auf sich vereint. Der Film beginnt im Jahre 1402. Damals war ihr Sohn bereits seit 15 Jahren tot, sie hatte daraufhin den Enkel ihrer Schwester, den jungen Erich von Pommern, zum Thronfolger Erik  erkoren und regierte in seinem Namen (wie zuvor in jenem ihres Sohnes),

Dass hier eine starke Frau in einer Männerwelt stand, macht die Regisseurin fraglos klar. Was man heute Politik und Geschichte nennt, war, wenn man mittendrin steckte, eine einzige Folge von Intrigen und Machtspielen, die damals und heute kaum zu durchschauen waren bzw. sind. Die Königin Margrete der Trine Dyrholm, ein blonder, starker, skandinavischer Typ, hält mit großartiger Souveränität diesen Stürmen stand. Die Bedrohung kommt aus Deutschland, von Preußen, von der Hanse, dem Deutschen Orden. Unterstützung erhoffte sie von England, durch eine Ehe von Erik mit der Tochter des englischen Königs. Wobei sie, wie einige Szenen zeigen (diese auf Englisch, der Rest des Films läuft auf Dänisch, kurze deutsche Szenen sind der Sprache nach nicht mit originalen Deutschen besetzt) mit den Briten souverän und gar nicht kompromißfreudig umging. Eine starke Frau, die sich nie ausmanövrieren ließ.

Aber der Film konzentriert sich nach und nach auf eine hoch dramatische Episode aus ihrem Leben, die zwar historisch ist, aber gleichzeitig romanhaft, ein bisschen wie die Geschichte des falschen Dimitri bei Boris Godunow. Tatsächlich tauchte 15 Jahre nach Olavs Tod ein Mann auf, der behauptete, Margretes verstorbener Sohn und der rechtmäßige König zu sein. Er sei die ganze Zeit bei den Deutschen gefangen gehalten worden und habe fliehen können…

Das Erscheinen dieses Mannes, den aus der Distanz von 15 Jahren (zur Zeit seines Todes war Olav 17 gewesen) niemand wirklich identifizieren kann, setzt das Intrigenkarussell voll in Gang, die Clique um Erik fühlt sich bedroht, andere erhofften mehr von dem früheren König. Aber Margrete, die nun wirklich Gefühle zeigt und nicht nur die Haltung, mit der sie allen Widerstand leistet, steht nun vor den verwirrten Gefühlen einer Mutter, die die Wahrheit nicht erkennen kann. Der fremde Mann könnte tatsächlich ihr Sohn sein, sie möchte das durchsetzen. Die Männerwelt stellt ihn vor ein Tribunal. Dessen Ergebnis möchte man hier nicht preisgeben, aber es führt zu Szenen, die so atemberaubend wie schrecklich sind. Der Film endet hier, und der Nachspann erzählt, dass das Rätsel um diesen „Sohn“ nie gelöst wurde…

All dies spielt sich in zwei Stunden ab, die oft an Shakespeares Königsdramen erinnern, manchmal auch an große Fernsehserien, und die optisch und ausstattungsmäßig im Stil der großen Historienfilme gehalten sind. Der düstere Norden, die Schatten werfenden Fackeln, großartige Landschaften, düstere Burgen. Ein gewisses Pathos mischt sich mit der Schärfe der fortwährenden politischen Diskussion, und immer geht es eigentlich um eine Frau, die sich von keinen Vorurteilen gegen ihr Frausein davon  abhalten lässt, die Dinge selbst zu entscheiden. Ein schöner „Schinken“, wie man sie heutzutage nur noch im Fernsehen gewöhnt ist? Nein, schlicht das Bekenntnis dazu, ein großes Schicksal auch adäquat zu erzählen.

Wer will kann diese Margrete übrigens auch heute noch an ihrem Grabmal im Dom zu Roskilde, dem Begräbnisort der dänischen Könige, besuchen, wo ihr Sarg eine zentrale Stellung einnimmt. Verdient.

Renate Wagner

 

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