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Film: DIE GESCHICHTE EINER FAMILIE

01.08.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

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Filmstart: 4. August 2023 
DIE GESCHICHTE EINER FAMILIE
Deutschland  /  2022 
Regie: Karsten Dahlem
Mit: Anna Maria Mühe, Michael Wittenborn, Therese Hämer u.a.

Zuerst sieht man eine Frau auf einem Motorrad, die auf eine Feuerwand zurast. Anstelle von Applaus gibt es jenen Knall, der eine Katastrophe andeutet. Dann wird die junge Frau von einer farbigen jungen Chauffeurin, offenbar ihre Freundin, in einem Camper irgendwohin aufs Land gebracht und bei ihrem Vater abgesetzt.

Er will sie nicht hier haben, sie will nicht hier sein, aber es gibt im Moment keine andere Möglichkeit. Diese Christina war als tollkühne Stuntfrau nicht beim Film beschäftigt (da wäre sie nämlich versichert gewesen), sondern ist mit irgendwelchen Schaustellern herumgezogen. Unversichert. Nun im Rollstuhl und in der Luft hängend,  muss sie froh sein, wenn der Vater, dem sie einst ohne Abschied den Rücken gekehrt hat, sie vorübergehend bei ihm sein lässt…

Karsten Dahlem, auch Schauspieler und Theaterregisseur, für dieses sein Langspielfilm-Debut 2022 bei den Hofer Filmtagen ausgezeichnet, rührt der Menschheit ganzen Jammer in dieser Familiengeschichte an. In Rückblenden, die lange Zeit diffus bleiben, wird stückweise erzählt, wie Christina und ihr Bruder (Casper von Bülow)) nächtlich von einer Disco unterwegs waren und er bei einem tödlichen Unfall ums Leben kam. Mit der Schuldfrage wird lange herumgespielt, ohne dass die zerrissen erzählte Geschichte dadurch spannender würde. Statt dessen werden Verzweiflungsausbrüche ausgereizte und immer wieder überreizt, aber seltsamerweise bewirkt gerade dieses Absichtsvolle, dass es die Tragödie verfehlt, echtes Mitgefühl zu wecken.

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Handlungsmäßig tut sich nicht viel, die Menschen aus der Vergangenheit, die vom damaligen Unglück mit betroffen waren, bekommen kaum Profil. Interessant der kurze Auftritt der Mutter Karin (Therese Hämer), die ihrerseits nach dem Tod des Sohnes den Gatten auch verlassen hat und jetzt kurz zurückkehrt. Als sie, als Gutmenschin in Afrika wirkend, stolz erzählt, wie sie  den Schmerz bezwungen habe, kann der Gatte sie nur anfahren, ob sie je bedacht hat, welchen Schmerz sie ihm bereitet hat, als sie ihn einfach in seiner Verzweiflung allein ließ…

Michael Wittenborn als Vater Werner liefert wohl die stärkste Leistung des Films, auch weil er seine Bitterkeit vor allem in such hineinfressen darf, während Anna Maria Mühe, die man eher als „Unterspielerin“ kennt, hier ziemlich viel aufgeplustertes, aber nicht wirklich glaubhaftes „Theater“ machen muss. Das „Happyend“, beide versöhnt  gemeinsam im Rollstuhl (!), könnte geschmäcklerischer nicht sein.

Trauerarbeit wird immer wieder zum allzu zelebrierten Trauerspiel, das letztendlich durch seine affektierte Erzählweise nur nervt. Grund genug für eine „Arthaus“-Produktion, Preise einzuheimsen. Ob das Publikum überzeugt wird, sei dahin gestellt.

Renate Wagner

 

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