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Film: DIE AUSSPRACHE

09.02.2023 | FILM/TV, KRITIKEN

film women talking movie poster 2022 x~1

Filmstart: 9. Februar 2021
DIE AUSSPRACHE
Women Talking  /  USA  /  2022 
Drehbuch und Regie: Sarah Polley
Mit: Rooney Mara, Claire Foy, Frances McDormand, Ben Whishaw u.a.

Das Aufbegehren der Frauen ist derzeit Alltag, auch wenn sie nie so weit kommen, wie sie wollen (Gleiches Geld für gleiche Arbeit? Schnecken. Frauennetzwerke gegen Männerzirkel? Chancenlos). Aber es gab früher bessere Gründe für den Protest als das gegenwärtige Einfordern einer Gendersprache, die Unterschiede verstärkt, statt die „Gleichheit“, die immer wieder moniert wird, zu befördern. Was taten Frauen, die ununterbrochen der Gewalt einer Männergesellschaft ausgesetzt waren, die überhaupt nicht darüber reflektierte, was sie tat, weil es für sie so selbstverständlich war?

Diese Problem greift die kanadische Regisseurin Sarah Polley in dem Film „Die Aussprache“ auf, der im Original noch besser „Women Talking“ heißt, denn Reden ist in diesem Fall Handlung. Entführt wird man in eine von der Außenwelt abgeschlossene Gemeinschaft der Mennoniten, irgendwo in Nordamerika, wo Religion und Unterdrückung dafür sorgen, dass alles immer beim schlechten Alten bleibt. Bis…

Anfangs, wenn eine  weibliche Stimme aus dem Off erklingt und schwarzweiße Bilder wie eine Rückblende erscheinen, könnte man noch eine „farbige“ Gegenwart erwarten, aber der Film verharrt (in jeder Hinsicht) Grau in Grau .-  trostlos wie sein Thema. Das allerdings ein ewiges ist. Erst als man da Schritt für Schritt (scheinbar) ein bisschen weiter kommt, schleichen sich schüchtern Pastellfarben ins Bild…

Man sieht fast ausschließlich Frauen – der einzige junge Mann, den sie unter sich dulden, hatte eine widerständige Mutter, die ihm ein anderes Frauenbild vermittelt hat als jenes, das in der Gemeinschaft herrscht. (“She questioned things und encouraged others to do that too…“)

Männliche Gewalt ist hier übermächtig geworden, ein Fall brutaler Massen-Vergewaltigung bewirkt, dass die Frauen in einer Scheune zusammen kommen – um zu reden, zu diskutieren, Beschlüsse zu fassen. Die müden Gesichter gehören den alten wie den jungen, die Alten meinen, alles war immer so, man müsse verzeihen und weitermachen. Die jüngeren wollen das nicht mehr. Und sie reden…

Sie reden durchaus Substanzielles, die verschiedenen Positionen werden klar, aber ebenso klar ist auch, dass Frauen, die von Bildung, Denken, Mitsprache fern gehalten werden, eigentlich nicht so denken und sprechen können, wie es in einem Drehbuch steht.

Da sind die Positionen der Sicherheit – wir haben hier doch alles, sagen die Alten, und wie sollen wir in den Himmel kommen, wenn wir Widerstand leisten? (Das sind übrigens grundlegende Überlegungen, sich in Unterdrückung zu fügen, und es gibt heute noch genügend Gesellschaften, wo solche Argumente greifen werden.)

Die jungen Frauen hoffen auf die Möglichkeit eines anderen Lebens, wenn sie einfach weggehen –  sie sind sogar bereit, dafür  zu kämpfen. Sie sehen auf einer Landkarte, die der junge Mann ihnen zeigt, dass es außerhalb der Enklave ihrer Existenz noch eine Welt gibt. Die wollen sie für sich und ihre Kinder entdecken, für die Mädchen und die kleinen Buben, die sie mitnehmen wollen, wenn sie gehen…

Der Film dreht sich ein wenig im Kreis, wenn auch immer wieder einzelne Frauen hervortreten, ihre Geschichten erzählen. Manchmal gehen einzelne gegeneinander los, weil sich ihre Standpunkte nicht vereinigen lassen. Und es wird ja doch stark sentimental, wenn sie den Befreiungsschlag wagen und  tatsächlich aufbrechen (und dem Babymädchen versprechen, ihre Geschichte würde anders sein als die der Frauen die nun gehen). Alte, die keine Kraft für den Neuanfang haben, bleiben zurück.

Es ist ein so kollektiver Film, dass es kaum Hauptfiguren gibt, nur Ben Whishaw als junger Mann August ist stark präsent wie auch Frances McDormand, die mit ihrem markanten Gesicht für das Alter steht (und unter den Produzenten des Films figuriert, was ihre starke Beteiligung an dem Projekt und dem Thema beweist). Rooney Mara spielt Ona, die nach der Vergewaltigung schwanger wurde, auch Claire Foy:und Jessie Buckley heben sich gelegentlich aus dem Geflecht der Frauengesichter. Aber große Einzelleistungen werden es nicht, und wirklich dramatisch-packend wird die Sache auch nie – und das bei diesem Thema.

Ein wenig erinnert der Film an die Arbeiten von Michael  Haneke, der ähnliche Situationen der Repression gezeichnet hat (unter Einbeziehung der Männer allerdings), aber wo Haneke sprachlos macht, spürt man hier vor allem die Künstlichkeit eines Films, der offenbar vor allem an das feministische Lehrstück denkt, das drinnen steckt.

Renate Wagner

 

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