Filmstart: 30. August 2019
DIE AGENTIN
The Operative / Deutschland, Frankreich, Israel / 2019
Regie: Yuval Adler
Mit: Diane Kruger, Martin Freeman, Cas Anvar u.a.
Es ist ja nicht so, dass keine Fachleute am Werk gewesen wären. „Die Agentin“ ist die Verfilmung des Romans„ The English Teacher“ des israelischen Schriftstellers Yiftach Reicher Atir. Und der Mann war als General beim Einsatz von Entebbe beteiligt und in der Folge für den Mossad tätig. Wenn er einen „Spionage“-Krimi schreibt, kann er aus erster Hand berichten.
Und Regisseur Yuval Adler hat schon Probleme dieser Art behandelt, etwa in dem Film „Bethlehem“, wo er die Beziehung zwischen einem israelischen Geheimdienstoffizier und seinem jungen palästinensischen Informanten zeigte. Warum ist dann die Geschichte der „Agentin“ so wenig überzeugend ausgefallen?
Vielleicht, weil man über die Frau, die sich Rachel nennt (später erfährt man, dass sie anders heißt), nichts erfährt. Sie lügt, und man weiß nicht, warum. Eine Figur, deren Hintergrund man benötigen würde – und er existiert einfach nicht.
In der Rahmenhandlung, die in Deutschland spielt, macht sich ihr Agentenführer Thomas Sorge um sie. Martin Freeman (ist er berühmter als Hobbit oder als der Fernseh-Dr. Watson zu Cumberbatchs Sherlock Holmes?) wirkt im Grunde auch nicht sehr überzeugend, aber wer von uns weiß schon, wie Spione aussehen und sich benehmen? Er berichtet jedenfalls davon, dass Rachel verschwunden ist – und nun wird die Geschichte stückweise in Rückblenden erzählt.
Offenbar heuert der israelische Geheimdienst nicht nur „echte Juden“, sondern auch Sympathisanten an. Wer Rachel ist und warum sie sich dazu hergibt – man erfährt es nicht. Dass rund um sie gemordet wird, trägt sie mit erstaunlicher Fassung. Jedenfalls wird sie in Teheran eingesetzt, soll als Englischlehrerin fungieren und als „Honigfalle“ den Kontakt zu dem iranischen Geschäftsmann Farhad (Cas Anvar) herstellen, der mit dem Atomprogramm der Regierung befasst ist.
Wer Teheran kennt und weiß, dass ein teilweise israelischer Film die dortigen Straßenszenen mit Sicherheit nicht an Ort und Stelle gedreht hat, muss eingestehen, dass sie sehr überzeugend wirken. Auch die Beziehung zwischen der „Englischlehrerin“ und dem sehr westlich orientierten Geschäftsmann (der offenbar seine Freizeit in einer liberalen Parallelwelt verbringt, wo die iranischen Schergen keinen Zutritt haben) wird ganz überzeugend entwickelt. Bloß – es führt nirgends hin.
Plötzlich wird Rachel von den Israelis im doppelten Wortsinn – real und metaphorisch – „in die Wüste“ geschickt, ohne dass man genau erfährt, warum. Dort wird sie von den kurdischen (?) Männern attackiert, Schnitt, sie liegt im Krankenhaus, wieder weiß man nicht, wie sie hierher gekommen ist und was es bedeuten soll.
Klar wird nur, und das kristallisiert sich als das zentrale Problem heraus: Sie will nicht blind gehorsam tun, was man ihr sagt, wenn sie offenbar zu einem Menschen eine echte Bindung aufgebaut hat (also für eine Spionin total ungeeignet). Aber wie reagiert der Mossad auf eine Mitarbeiterin, die nicht funktioniert? Da muss nun ihr Agentenführer verzweifeln, denn solche Schäden werden gnadenlos (sprich: für den Störfaktor letal) beseitigt. Am Ende sollte dann die Spannung, ob sie davonkommt oder nicht, unerträglich sein. Sie ist es nicht.
Diane Kruger ist die Agentin. Als „schöne Helena“ ist die tatsächlich sehr schöne blonde Deutsche einst berühmt geworden, und sie hat ihre Reize in vielen Rollen ausspielen können. Hier schrumpft sie zu durchschnittlicher Unauffälligkeit zusammen, ohne an Intensität einzubüßen. Freilich, hinter ihre Stirn kann man nicht schauen – aber wenn ihr der Drehbuchautor nicht verraten hat, wer Rachel eigentlich ist, wie soll sie es vermitteln?
Abgesehen davon ist die Geschichte als Ganzes nicht sehr spannend. Und das ist der Kardinalfehler. Sorry, es gibt eine Regel: Auch wenn sich Spionagefilme noch so authentisch geben, sie müssen einfach spannend sein. Das vermisst man bei den Aktionen, die der „Agentin“ auferlegt werden, schmerzlich.
Renate Wagner