Filmstart: 29, November 2019
DER TAUCHER
Österreich / 2019
Drehbuch und Regie: Günter Schwaiger
Mit: Franziska Weisz, Julia Franz Richter, Alex Brendemühl, Dominic Marcus Singer
Langsam kommt dieser Film einher, schwerfällig fast, bedeutungstriefend jedenfalls. Er spielt auf Ibiza, was nichts mit Strache zu tun hat: Warum da eine Handvoll Österreicher auf einer spanischen Insel lebt, erfahren wir nicht, ebenso wenig wie manches andere. Nicht ohne Mühsal muss man erst einmal die – tremolierend geheimnisvoll gehaltenen – Beziehungen der vier Hauptpersonen zu durchschauen versuchen, die Regisseur Günter Schwaiger (* 1965 in Salzburg) hier vorstellt. In einem Film, dessen Titel man sich übrigens nicht wirklich erklären kann.
Da ist Irene (unglaublich blaß in jeder Hinsicht: Franziska Weisz), die offenbar in einer Boutique arbeitet und mit ihrer Teenager-Tochter Lena (Julia Franz Richter) zusammen lebt. Die Mutter klammert, die Tochter will weg (offenbar in die österreichische Heimat), geht aber sehr vorsichtig mit der Mutter um. Welches Geheimnis da wabert – man erfährt es lange nicht.
Was Paul (Alex Brendemühl) mit den Frauen zu tun hat, weiß man lange nicht, man erlebt ihn vor allem im problembeladenen Zusammenleben mit seinem Sohn Robert (Dominic Marcus Singer), der offenbar erst seit kurzem wieder da ist. Warum?
Zuerst bekommt man nur Paul ausführlich präsentiert – ein eleganter Mann, ein Künstler, ein Fagottist, ein Komponist, der sehr rege am Telefon ist, seine neueste Komposition in den Konzertsälen zu positionieren. (Man muss ihm sehr viel beim Solo-Fagott zuhören, darüber hinaus hat die Musik von Roland Hackl einen starken und meist quälenden Anteil an der düsteren Stimmung dieses Films.)
Ist es ein Krimi, den man nicht „spoilen“ darf? Kaum, denn das, was man gemeiniglich unter „Spannung“ versteht, kommt nicht auf. Wie bei einer Zwiebel schälen sich die einzelnen Handlungselemente ab – der Künstler gibt ein Interview, und als die Journalistin nicht nur nach seinen künstlerischen Meisterwerken, sondern nach seiner verstorbenen Frau und deren Selbstmord seiner Geliebten wegen fragt, wirft er sie hinaus (offenbar ist das nicht nur eine Gewohnheit von Peter Handke). Jetzt weiß man es – auch, dass der arme, dumpfe, verzweifelte Sohn nach dem fragwürdigen Tod der Mutter einen Selbstmordversuch unternommen hat und eben erst aus der Klinik kam.
Wie passen nun Irene und ihre Tochter da herein? Irene war Pauls Geliebte, und offenbar hat er sie körperlich schwer misshandelt, so dass er sich ihr nicht mehr nähern darf. Aber einen Flecken auf seiner spanischen Männerehre kann er schon seiner Karriere wegen nicht brauchen – Irene muss die Anklage zurückziehen, verlangt er. Und als sie sich weigert… ja, dann gibt es wieder Gewalt. Und diese eskaliert dann bis zum letalen Ende auf anderer Ebene (das auch keine besondere Überraschung ist).
Paul ist die interessanteste Figur der Geschichte: Wie kommt es, dass Männer, deren intellektuelles und gesellschaftliches Niveau außer Frage steht, brutal ausrasten, wenn sie ihren Willen nicht bekommen? Das wird allerdings nur in einer Szene gezeigt, weder analysiert noch begründet. Im übrigen wird nur sein schrankenloser Egoismus gezeigt.
Und Irene? Die ist seit Pauls Überfall auf sie in stumpfe Stockstarre verfallen, so sehr sie sich auch bemüht, für die Tochter (die der ganzen Situation mit blanker Wut gegenüber steht) „normal“ zu sein. Geht wohl nicht.
Viele Fragen bleiben offen – warum Irene auf der Insel bleibt, auf der sie ja offenbar nicht wirklich zuhause ist, statt heim zu gehen und Distanz zwischen sich und das Geschehen zu legen? Oder kann es nach einer solchen Erfahrung nur leidensmäßig dumpfes Vor-sich-hin-Grübeln geben? Abhängigkeit sei, so der Regisseur, ein Thema seines Films. Und der Irrglaube, dass körperliche Gewalt nur in den Unterschichten vorkomme. Dennoch – einerseits fällt auf, mit wie viel Pathos österreichische Regisseure ihre Problematiken angehen, um zu zeigen, wie wichtig und bedeutsam sie sind (neulich auch Karl Markovics bei „Nobadi“). Andererseits wird äußerst moderiert mit dem radikalen Thema umgegangen. Besonderes Interesse oder gar Anteilnahme evoziert der „Taucher“-Film nicht.
Renate Wagner